Partnerschaft 1

Einführung

Für uns Menschen scheint es eines unserer innigsten Bedürfnisse zu sein, in kommunikativem Bezug und harmonischem Einklang zu unserer Umwelt zu stehen. Eine intakte Partnerschaft erfüllt diesen Grundanspruch des Menschen in unvergleichlicher Weise. Trotz unserer intensiven Sehnsucht nach Liebe und Harmonie, die wir innerhalb von Partnerschaften verwirklichen könnten, gelingt es uns allen immer seltener, befriedigende Partnerschaften aufzubauen und dann auch zu erhalten. Beim Blick zurück auf diese und vergangene Partnerschaften fallen uns oft an uns oder an unseren Partnern zerstörerische Denk - und Verhaltensweisen auf, die mit zur Zwistentstehung oder sogar zur Beendigung der Partnerschaft führten. Wir erkennen, dass wir oft unsere Partner oder uns selbst nicht verstehen oder verstanden haben. Mit Partnerschaften verhält es sich ähnlich wie mit sehr komplizierten Maschinen. Das Verstehen gegenüber deren komplexen Funktionen ist die Voraussetzung für eine optimale Nutzung.

Als nützlich hat es sich für den Menschen erwiesen, Gruppen oder Partnerschaften zu bilden, um das Leben lebenswerter und voller zu gestalten. Von Geburt aus scheinen wir Menschen sehr einfach aber funktionell auf Lebenserhalt und Lustbefriedigung orientiert zu sein. Je einfacher wir Menschen strukturiert sind, um so einfacher, jedoch durchaus funktionell entwickeln sich unsere Partnerschaften. Unsere Erziehungen machten aus uns und unseren Partnern aber vielfach sehr komplexe Individuen. Und mit dieser Komplexität fällt es uns eben häufig sehr schwer, unsere oder unserer Partner Lebens - oder Partnerschaftsanschauungen und Motive zu verstehen und in einer Partnerschaft harmonisch zu vereinigen. Die Frustrationen und Narben unserer Vergangenheit blockieren, solange sie unverstanden und noch nicht bewältigt sind, jede gesunde Partnerschaft oder einen Neubeginn einer Partnerschaft. Es erscheint also logisch, dass unser Verstehen uns und unseren Partnern gegenüber eine Grundvoraussetzung für eine effiziente Partnerschaft darstellt. Viele der Probleme, die wir innerhalb unserer Partnerschaften erkennen können, resultieren aus den Werten, die uns innerhalb unserer Vergangenheit anerzogen wurden. Die Kultur, in der wir leben zeichnet sich dadurch aus, dass die Menschendichte immer mehr zunimmt. Je dichter wir Menschen jedoch aufeinander sitzen, umso mehr nimmt unser Widerstand vor Nähe und unsere Angst gegenüber den Nächsten zu. Der Kontakt zu den Nachbarn, die nur durch eine Mauer von uns getrennt sind, besteht meist gar nicht. Eine Distanzierung entsteht als ein zwangsläufiger Schutzversuch vor aufgedrängter Nähe. Unsere Kommunikationsbereitschaft reduziert sich immer mehr, wir werden zu Einzelgängern innerhalb viel zu dicht gedrängter Menschenmassen. Vergleichen wir unsere Kultur mit anderen, bei denen der nächste Nachbar einige hundert Meter, oder sogar einige Kilometer entfernt wohnt, so finden wir dort einen Zusammenhalt, Geselligkeit und eine Kommunikationsbereitschaft vor, die wir bei uns schon lange nicht mehr erkennen können. Unsere oftmalige Ungeselligkeit sowie unsere Kommunikationsblockaden, die unsere Kultur in uns auslöste gestalten den Partnerschaftserhalt oder die Partnerfindung vielmals unmöglich. Oft ersticken die Normen der Gesellschaft durch ihren Zwangscharakter die individuelle Lebendigkeit einer Partnerschaft. Die Hintergründe von Partnerschaftskonflikten sind sehr vielfältig und oft nicht direkt erkennbar. Versuchen wir, einigen dieser Hintergründe auf die Spur zu kommen.

Und dieses Unterfangen beginnen wir wohl am besten mit der Definition des Wortes Partnerschaft:

Partnerschaft ist eine Verbindung von 2 oder mehr Individuen, mit dem Ziel, Lebens- oder Existenzziele durch die Verbindung besser erreichen zu können.

Die uns angeborenen, biologischen Werte beinhalten vermutlich nur, das Leben und die Lustbefriedigung zu erhalten. Einfach, funktionell und genial enthalten diese Werte alles, was wir Menschen brauchen um glücklich zu sein. Was haben wir oder unsere Partner heute für Lebens- oder Existenzziele und sind diese Ziele durch unsere Partnerschaften erreichbar?

 

Angst

Wir alle kennen Angst, dieses Gefühl, welches wir empfinden, wenn wir eine Gefahr interpretieren. In vielen Situationen erkennen wir den Nutzen der Angst, der darin zu liegen scheint, unser Leben zu schützen. Wo immer wir das erkennen, richten wir uns nach dem, was uns die Angst sagen möchte. Fahren wir zum Beispiel mit unserem Auto mit 70 Stundenkilometern auf eine Kurve zu, die auch mit einem Rennwagen nur 50 Stundenkilometer verträgt, so sagt die Angst: "Fuß vom Gaspedal und auf die Bremse damit!" Meist werden wir dem Motiv und Ziel der Angst entsprechen und das tun, was uns diese Angst sagen will. Sehen wir auf unserem Weg einen Hund angekettet, der uns wütend anbellt, dessen messerscharfe Zähne uns entgegenleuchten und dessen Größe uns imponiert, so sagt uns die Angst, wir sollten uns besser nach einem Weg umsehen, auf dem die Konfrontation mit dem Untier vermeidbar erscheint. Vermutlich kommen wir wieder dem Motiv der Angst nach, und tun, was sie will. Oder auf einer Bergtour kommen wir auf einige Meter an eine Klippe heran, nach der es ca. 800 Meter senkrecht nach unten geht. Die Angst will uns die Annäherung an die Klippe und das eventuelle hinunterfallen ersparen und wir erfüllen ihr den Wunsch. Diese Ängste sind also für uns sehr lebenserhaltend, und wir, die wir noch am Leben sind, haben bis jetzt meist auf unsere Ängste gehört. Eine Form der Angst ist somit beschrieben. Wir kennen aber noch viele andere Formen. Was ist zum Beispiel mit den Ängsten, die uns Lähmen, die uns in Panik bringen, die extreme Gewalten in uns auslösen, die dafür sorgen, dass wir uns verkriechen wollen oder die innerhalb von Sekunden unsere Achseln, Oberlippen, das ganze Gesicht, die Hände, den Rücken, die Füße in Schweiß baden, die, wenn ein attraktiver Vertreter des anderen Geschlechts anwesend ist, uns den Bauch einziehen lässt, unsere Stimme wandelt, einen anderen Gang bedingt, uns stottern, stammeln oder auch großspurig daherreden lässt? Was ist mit unseren Existenzängsten? Eine andere Form der Angst macht sich in der Depression bemerkbar, wie entsteht sie? Was ist mit der Angst, ob wir den scheinbaren Erwartungen unserer Partner entsprechen können? Was ist mit unserer Angst vor dem Neinsagen (Abgrenzung), dem Fehler machen? Was ist mit unserer Angst vor der Krankheit, dem Symptom, dem Siechtum und der Abhängigkeit im Alter, vor dem Tod? Was ist mit der Angst vor Freiheitsverlust oder dem Verlust von Partnern, Gegenständen oder Idealen? Und was ist mit der Angst vor Schuldempfindungen oder Sünden? Jeder von uns findet manche dieser Ängste in sich wieder. So unterschiedlich all diese Angstformen auch erscheinen, sie alle funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Und dieses Prinzip ist relativ einfach zu verstehen.

Beginnen wir mit der Definition der Angst: Angst ist eine Emotion, die in der Folge einer empfundenen Wertgefährdung entsteht. Die Angst hat den Zweck, den gefährdet erscheinenden Wert zu schützen. Die Angst kann nicht zwischen biologischen, also angeborenen Werten und den uns anerzogenen konstruierten Fremdwerten unterscheiden.

Aus einer Gefährdung unserer biologischen Werte resultiert eine konstruktive Verhaltensweise, die den Zweck hat, die Werte Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit zu erhalten. Hingegen verursacht eine Gefährdungsempfindung gegenüber unseren Rollen im Allgemeinen eine destruktive Aggression gegen den scheinbaren Angreifer oder ein Kompensationsverhalten. Und dieses bedeutet für uns und die Umwelt nur Schaden.

Versuchen sie sich, unsere Denkabläufe vorzustellen. Ähnlich, wie wir in der Mathematik mit Zahlen oder Werten rechnen, berechnen oder bewerten, funktioniert auch unser Denken insgesamt. Nennen wir deshalb unsere oberste Denkstruktur einen Wert. Durch die, aus unseren Werten entstandenen Bewertungen bestimmen wir die Wichtigkeit und Charakteristik von Realitätsanteilen und die Wichtigkeit und Charakteristik von Konstrukten. Konstrukte sind von Zivilisationen oder Kulturen konstruierte irreale Strukturen. Zu den Konstrukten zählen die Ehrbereiche, Ideale und Rollen, die uns im Laufe der Erziehung vermittelt wurden. Die Werte innerhalb unserer Psyche haben also zwei verschiedene Bezüge. Zum Einen besteht der uns angeborene Wertbereich, der zur Aufgabe hat, unsere Lebensfähigkeit zu erhalten oder zu intensivieren. Erscheint unsere Lebensfähigkeit nicht gefährdet, so ist das oberste Ziel des angeborenen Wertbereichs die Lustbefriedigung. Insofern ist dieser, uns angeborene Wertbereich der konstruktivere mit dem intensivsten Realitätsbezug. Ein anderer Bezug besteht zu den schon angesprochenen Konstrukten, unseren Ehrbereichen, Idealen und damit unseren Rollen. Dieses Wertsystem nenne ich das Fremdwertsystem, da es nicht unserem biologischen, uns angeborenen Wertsystem entspricht. Diese, uns gewaltvoll anerzogenen Fremdwerte wollen den Zustand der geringsten Ablehnungs- oder Verlustangst erreichen. Und das wird durch Normenverhalten mit dem Ziel der Vermeidung von negativem Feedback und dem Erstreben von möglichst viel positivem Feedback versucht. Es scheint immer das selbe Prinzip zu sein: Unseren Erziehern wurden in deren Erziehung mit Gewalt Werte anerzogen. Mit diesen anerzogenen Werten, mit denen sie sich jedoch bereits identifiziert haben, bewerteten sie unsere Verhaltensweisen. Manche unserer Verhaltensweisen bewerteten sie als negativ. Manche unserer durchaus gesunden und biologischen Verhaltensweisen, die negativ interpretiert wurden führten dadurch für uns kindliche Opfer zu Frustrationen durch Strafe. Mit diversen Formen von negativem Feedback wurden wir erpresst, sobald unsere Handlungsweise den Erwartungen unserer Erzieher im negativ interpretierten Sinn nicht entsprach. Niemand wundert sich, dass in uns eine Menge Angst entstand. Diese Angst konnten wir dadurch reduzieren, dass wir Verhaltensweisen demonstrierten, die in unserer Umwelt positives Feedback auslösten. Durch all diese Vorgänge erhielten wir ein ähnliches Fremdwertsystem wie das unserer Erzieher, mit dem wir uns unsererseits wieder identifizieren. Vermutlich geben wir die uns anerzogenen Fremdwerte wieder mit ähnlichen Gewalten an unsere Kinder oder sollte ich besser sagen Opfer weiter, in denen dann die selben Ängste entstehen, die uns seit Jahren durch unser Leben begleiten und unser Dasein auf oft schädliche Weise leiten.

 

Kugel und Rollen

Stellen sie sich den Menschen kurz nach seiner Geburt vor. Er gleicht mit seinem genialen Wertsystem, das auf Lebensfähigkeit und Lustbefriedigung orientiert ist, einer optimal runden Kugel. Die Kugel ist also im Weiteren ein Symbol für einen Menschen, dem noch nicht durch den Spießrutenlauf der Erziehung Fremdwerte aufgezwungen wurden, die im Verlauf des Lebens des Erzogenen viel Schaden bedingen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Erziehung und Information. Der Erziehungsprozess erscheint mir als ein Gewaltvorgang, bei dem die Umwelt einem zu Erziehenden erpresserisch ein kulturspezifisches Wertsystem aufzwingt, das nur durch Angst seine Wirkungen und Ziele erreicht. Anders der Prozess der Information. Dabei werden einem jungen Menschen Informationen angeboten, deren Integration ins Wertsystem jedoch der Entscheidung des Kindes überlassen wird. Die Kugel ist also dieses Symbol für eine BIOLOGISCHE, SELBSTORIENTIERTE, EINHEIT die den Menschen direkt nach seiner Geburt darstellt. Stellen sie sich nun wieder vor, dass auf der Oberfläche der Kugel alle Begriffe, die wir kennen, geschrieben stehen. So stehen zum Beispiel die Worte "klein, fleißig, Depp, hässlich, schön, Liebling, dick, faul, intelligent, Nasenbohrer, langsam" und so weiter darauf. Diese Worte, mit denen wir unsere Realität interpretieren sind positiv bewertet, solange sie unsere Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit aufrechterhalten oder intensivieren. Realitätsaspekte, die unsere Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit gefährden führen zu einer gesunden Angst und dadurch zu gesundem Abwehrverhalten und Widerstand, die den Zweck haben, die Werte Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit zu erhalten. Dieses biologische Wertsystem macht es uns leicht, die Realität konstruktiv zu interpretieren und uns in sie harmonisch zu integrieren. Im Verlauf unserer Kindheit bewertet die Umwelt in Form der Eltern, Freunde, Verwandten und Bekannten unsere Charakteristika. Unsere Charakteristika sind mit den Worten auf unserer Oberfläche gleichzusetzen. Innerhalb unserer zur Zeit bestehenden Kultur werden nun meist die Worte "klein, Depp, hässlich, dick, faul, Nasenbohrer, langsam", negativ interpretiert und somit werden wir mit dem negativen Feedback der Umwelt bombardiert, sobald wir unsere Umwelt mit diesen, unseren Eigenschaften konfrontieren. Negatives Feedback erhalten wir durch die bekannten Strafaktionen wie: Schimpfen, Schläge, früher ins Bett müssen, Liebesentzug, Schuldprojektionen, Nachtischentzug oder Strafarbeiten. Diese Strafen lösen in uns Ängste aus. Wir erkennen nun, dass, wenn wir Eigenschaften wie :"klein, Depp, hässlich, dick, faul, Nasenbohrer, langsam" und so weiter in unserer Umwelt demonstrieren, daraus Schaden, in Verbindung mit Angst, für uns entsteht. Mit der Zeit werden dadurch auch wir Aspekte, die zuerst nur die Umwelt an uns negativ bewertet, selbst negativ bewerten. Die Angst davor, negativ bewertet zu werden, konnten wir dadurch reduzieren, dass wir Verhaltensweisen demonstrierten, die in unserer Umwelt positives Feedback auslösten. Durch Liebsein, Bravsein, Schönheit, Intelligenz, Leistung waren wir nicht nur in der Lage, Strafaktionen zu vermeiden, sondern wir ernteten sogar positives Feedback in Form von Liebesdemonstrationen, Scheinakzeptanz, länger wach bleiben dürfen, neues Spielzeug, besondere Nachtische und scheinbare Freiheiten. Stellen sie sich wieder unsere Oberfläche vor, auf der all die uns bekannten Begriffe stehen. Wir erkennen bald: wann immer wir durch unsere Verhaltensweisen Eigenschaften oder Charakteristika demonstrieren, die innerhalb unserer Umwelt negativ bewertet werden, erhalten wir Frustrationen. Diese Frustrationen können wir dadurch vermeiden, dass wir diese Eigenschaften nicht mehr zeigen. Symbolisch gesagt decken wir das Wort "Nasenbohrer" auf unserer Oberfläche einfach dadurch zu, dass wir nicht mehr öffentlich Nasenbohren. Wir geben dadurch vor, kein Nasenbohrer zu sein. So verfahren wir auch mit anderen Dingen: Wir versuchen, nicht mehr "klein, deppert, hässlich, dick, dumm, faul, langsam" zu erscheinen. Quasi decken wir diese Worte auf unserer Oberfläche zu, so dass sie von niemandem mehr gesehen werden. Zum Zudecken dieser Worte ist uns alles recht. Wir verwenden Papierstückchen, Schlamm oder wir halten Luftballons wie zufällig vor diese nun negativ interpretierten Worte. Alles ist uns willkommen, um der Umwelt vorzutäuschen, wir seien nicht "klein, deppert, hässlich, dick, dumm, faul, langsam". Diese und andere, jetzt negativ interpretierte Eigenschaften seien uns völlig fremd. Das "Kleinsein" können wir mit dickeren Schuhsohlen kompensieren. Den dummen, faulen, langsamen Depp zu verstecken, tun wir uns schon etwas schwerer aber wir finden Mittel und Wege, auch dieses zu kompensieren. Das Hässliche an uns lässt sich wegschminken und was der Schminke trotzt kann man oder Frau wegoperieren lassen. Dem, was dick an uns erscheint, rücken wir mit brutalen Abmagerungskuren, mit Diäten oder in Fitnessclubs zu Leibe. Auf was verzichten wir nicht alles und wie vergewaltigen wir uns auf vielfältige Arten und Weisen. Und das alles nur um die Angst zu vermeiden, die entstünde, wenn die Umwelt erführe, welche und wie viele negative Eigenschaften wir glauben zu haben. Eben alle unsere Negativrollen. Kommen wir nun zur anderen Art von Rollen die man uns anerzogen hat, den Positivrollen. Wenn wir Eigenschaften zeigten, die die Umwelt als positiv bewertete, wie zum Beispiel: Schönheit, Fleiß, Intelligenz, Größe, Leistungsfähigkeit, Weitsicht und so weiter brauchten wir keine Angst vor Ablehnung zu haben sondern erhielten sogar positives Feedback in Form von Liebesdemonstrationen, Scheinakzeptanz, länger wach bleiben dürfen, neues Spielzeug, besondere Nachtische und scheinbare Freiheiten. Kein Wunder, dass wir uns eilig daranmachten, diese Worte, die von der Umwelt positiv interpretiert wurden, auf unserer Oberfläche herauszuputzen. Wir verzierten die Worte mit kleinen aber auffallenden goldenen Rähmchen, polierten sie auf Hochglanz und zeichneten sie mit Leuchtfarbe nach. Wir halten wie zufällig Vergrößerungsgläser vor manche der positiv interpretierten Worte. Auf diese Art versuchen wir, auf unsere Positivrollen aufmerksam zu machen. Wir stellen uns dar, als wären wir viel schöner, fleißiger, intelligenter, größer, leistungsfähiger oder weitsichtiger, als wir real sind. Tarnen und Täuschen heißt unser Motto. Durch all die uns anerzogenen Fremdwerte verzerren wir unsere Realität. Wir haben nun keine geniale Kugelform mehr. Sobald wir uns mit all diesen Rollen identifiziert haben, sind wir nicht mehr in der Lage, zu Eigenschaften, wie "klein, deppert, hässlich, dick, dumm, faul, langsam" zu stehen. Manche dieser Eigenschaften demonstrieren wir täglich mehrmals. Es ist nun mal unsere Realität. Biologisch genügt uns unsere Schönheit, Fleiß, Intelligenz, Größe, Leistungsfähigkeit, Weitsicht und so weiter allemal, um unsere Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit zu erhalten. Müssen wir denn immer damit weiter machen, uns und anderen immer etwas vorzumachen mit unseren Rollen, die inzwischen eine Eigendynamik entwickelt haben? Vielleicht immer weniger, je mehr wir die Schäden erkennen, die die Rollen und Identifikationen mit uns und in uns und in unserer Umwelt verursachen. Dass wir aufgrund der Rollen in unserer Identitätsstruktur sehr angstgesteuert durch unser Leben gehen ist nun etwas klarer geworden. Durch die Hineinerziehung der Rollen mit den darin enthaltenen Werten in uns entstand eine enorme Menge von Angegriffenseinsempfindungen und Ängsten. Es resultierten Spannungen, die wiederum unsere Aggressionen und Gegenangriffsbestrebungen nach sich zogen. Hätten wir nur Angst, wenn unsere biologischen Werte gefährdet wären, so würden wir leben wie im Paradies. Dummerweise kann unsere Angst nicht unterscheiden zwischen den Werten, mit denen wir geboren wurden und den Werten, die uns anerzogen wurden. Sobald also jemand in unserer Umwelt nun an einer unseren Rollen kratzt, fühlen wir Angst. Jemand nennt uns dumm und kratzt damit eine Schicht von dem Dreck über dem Wort "dumm" ab, den wir angebracht haben, um eben nicht als dumm erkannt zu werden. Nachdem wir uns mit dem "nicht dumm sein wollen" und dem Dreck über dem Wort "dumm" identifiziert haben führt ein Kratzen an dem Dreck zu einer Empfindung, als würden wir selbst angegriffen. Und dies wiederum löst Angst aus, aus der Gegenangriffsbestrebungen oder Kompensationen resultieren. Könnten wir zu unserer Dummheit, die sich doch des Öfteren in unserem Tagesablauf zeigt stehen, so hätten wir es nicht nötig, Dreck über das Wort zu schmieren, sondern könnten es gut sichtbar und lesbar auf unserer Oberfläche stehen lassen. Kommt nun jemand aus unserer Umwelt und nennt uns dumm, so kratzt er oder sie nicht an dem Dreck auf uns, weil nämlich keiner da ist. Er oder sie spricht nur etwas offenkundiges an und wir können nur zustimmen, dass sich neben unseren Intelligenzbereichen auch einige Dummheitsbereiche zeigen. Durch das Beiseiteschieben des Vergrößerungsglases vor dem Wort "Intelligent" empfinden wir wieder einen Wert als gefährdet. Wieder hat jemand erkannt, dass wir gar nicht so intelligent sind, wie wir versuchten, der Umwelt zu demonstrieren. Wir wurden bloßgestellt und das löst eine Menge Angst aus. Wie gesagt hat die Angst die Aufgabe, den gefährdet erscheinenden Wert zu schützen. Und da die Angst nicht unterscheiden kann zwischen gefährdet erscheinenden Eigenwerten und den uns anerzogenen Fremdwerten muss sie versuchen, den gefährdet erscheinenden Fremdwert zu schützen. Nur, wie soll die Angst dieses Konstrukt "Fremdwert" schützen? Die Werte Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit haben reale Bezüge. Doch wie soll die Angst ein "nicht dumm erscheinen wollen" schützen? Sie tut sich dabei verdammt hart. Und trotzdem versucht sie es. Hat jemand aus unserer Umwelt einen unserer Dummheitsbereiche entlarvt, so sagen wir einfach, es stimmt nicht. Wir waren das gar nicht. Wir versuchen, mit übertriebener Intelligenzdemonstration zu kompensieren. Wir werten den Anderen ab, indem wir auf seine noch viel größeren Dummheitsbereiche hinweisen. Wir lenken elegant oder auch mühsam vom peinlichen Thema ab und reden übers Wetter. Oder wir werden einfach aggressiv und verhauen den scheinbaren Angreifer. Wie oft geschieht es, dass wir durch Worte Anderer Angst empfinden und uns angegriffen fühlen, ohne auch nur im Mindesten real angegriffen zu sein? Auf welche Arten "verteidigen" wir uns oder besser gesagt unsere Rollen und wie praktizieren wir unsere Gegenangriffe? Sobald wir erkennen, dass Worte unsere biologischen Werte niemals angreifen können, sondern immer nur unsere anerzogenen Rollen, also Konstrukte angreifen, wird uns klarer, wie oft wir in der Folge der Identifikationen mit unseren Rollen mit Angst und Aggressionen reagieren. Der Übertragungsprozess von Rollen und Idealen in unserer Vergangenheit gleicht einer Situation, bei der uns jemand anweist, die Hände aufzuhalten, woraufhin derjenige eine Riesenportion hineinkackt und zu uns sagt: "Dieses wird ein wesentlicher Inhalt Deines Lebens sein. Beschütze, verteidige und vermehre es Dein Leben lang." Und das tun wir dann auch, nachdem wir uns mit dem Kot der Gesellschaft identifizierten. Durch unsere Identifikationen machen wir uns und unserer Umwelt das Leben ganz schön oder besser gesagt unschön schwer. Wir erkennen nun besser, wie wir uns durch geäußerte Worte aus unserer Umwelt angegriffen fühlen, ohne es zu sein. Dadurch können wir aber auch lernen, mehr zu unserer Realität zu stehen um damit ein bisher nicht gekanntes Maß an Unangreifbarkeit und Stabilität zu erreichen.

 

Der Kuckuck und die Amsel

Zu diesem Thema noch ein Beispiel, das uns auch einen möglichen Erkenntnisweg zeigt. Das Beispiel vom Kuckuck und der Amsel. In diesem Beispiel sind sie die Amsel. Sie haben soeben einige Eier in ihr Nest gelegt. Ihre eigenen Eier. Nennen wir ihre einzelnen Eier die Lebensfähigkeit, das Fühlen, das Schmecken, das Hören, das Sehen, das Riechen, die Neugierde, das Spiel, die Liebes - oder Harmonieempfindung. Nach einer ihrer wenigen Brütpausen, bei denen sie sich mit Nahrung versorgten, fliegen sie zurück und finden ein Ei mehr in ihrem Nest vor. Nachdem sie als dumme Amsel nicht zählen können, kommt ihnen die ganze Sache nur etwas eigenartig vor. Logisch erscheint es ihnen nicht, dass irgendjemand auf die Idee käme, ihnen sein Ei ins Nest zu legen. Obwohl es etwas größer und anders in der Farbe ist betrachten sie es bald als ihr eigenes Ei und brüten eifrig weiter. Von einem Kuckuck haben sie ja noch nie was gehört. Ab jetzt brüten sie an ihren eigenen Eiern oder Werten und an dem Ei oder Wert, den ihnen die Umwelt in Form eines Kuckucks in ihr Nest gelegt hat. Diesen kleinen Kuckuck, den sie in Verbindung mit ihren eigenen Jungen ausgebrütet haben betrachten sie nun jedoch auch als ihr eigenes Junges oder ihren eigenen Wert, nachdem sie sich mit ihm identifiziert haben. Der kleine Kuckuck symbolisiert die Normen, Ideale und Rollen, die uns von der Umwelt ins Nest unserer Psyche gelegt wurden. Und nun liegt es nun mal in der Natur der Sache, dass das Junge, das am lautesten schreit die dicksten Würmer kriegt. Raten sie dreimal, welches Junge am lautesten schreit! Natürlich ist es der Kuckuck, der die dicksten Happen abkriegt. Auch unsere Umwelt ermahnt uns eindringlich dieses Junge besonders zu füttern. Investitionen in die Vernunft sind unserer Gesellschaft sehr wichtig.

Unsere eigenen Jungen bekommen schon auch mal einen Happen ab, nachdem der Kuckuck kurz gesättigt ist, aber es reicht oft gerade noch zum Überleben. Die Motive unserer Jungen sind die Lebensfähigkeit und die Lustbefriedigung. Durch jede unserer biologischen Befriedigungen bekommen unsere Jungen wieder einen Happen ab. Wir werden stärker, ausgeglichener und dominanter. Unser Leben füllt sich mit Energie. Das Motiv des Fremdwertes Kuckuck ist, den Zustand der geringsten Angst zu erreichen. Dieses ist durch ein Normenorientiertes Leben, in dem wir nicht anecken am ehesten zu erfüllen. Durch jede Normerfüllung geben wir dem Kuckuck wieder ein dickes Stück Wurm ab, das ihn wieder stärker macht. Mit jedem Schreien des Kuckucks empfinden wir Angst, die wir mildern können, indem wir ihm wieder ein Stuck Wurm in den weit aufgesperrten Schnabel stopfen. Kurz gibt der Kuckuck die für uns ersehnte Ruhe, um dann ärgerlicherweise mit neuer, noch größerer Energie und Lautstärke weiter zu schreien. Und wir merken nicht, dass wir mit jeder Investition in die Fremdwerte in Form einer Fütterung des Kuckucks in immer größere Abhängigkeit gegenüber diesen Umweltforderungen geraten. So betrachtet sind wir kaum klüger als die dumme Amsel, die sich von einem Kuckuck ein Ei aufhängen ließ. Wir werden es wohl nie schaffen, dem Kuckuck keinen Wurm mehr zu opfern. Aber wir können den Weg gehen, durch Bewusstwerdung, wen wir nun wieder füttern und welcher Schaden oder Nutzen daraus entsteht, unseren eigenen Jungen wieder mehr Energien zukommen zu lassen. Ein Dominieren unserer eigenen Werte und eine Reduktion der Angst auslösenden Fremdwerte wird die Folge sein.

 

Ideale

Kommen wir zum Thema Ideale. Ideale erscheinen mir als die ethischen Maxima einer Kultur. In unserer frühesten Kindheit wurden wir angehalten, uns mit diesen Idealen zu identifizieren. Gerechtigkeit, Fairness, Mut, Nationalismus, Redlichkeit, Ehre, Ehrlichkeit, Freiheit, Einigkeit und Treue sind nur einige dieser Ideale. Ideale gleichen in ihren Wirkungen Vorsätzen, die wir immer weniger erreichen, je mehr wir es versuchen. Und je weniger wir Vorsätze oder Ideale erfüllen können, umso intensiver wächst unser schlechtes Gewissen und Angst und mit diesen Beiden das Motiv Vorsätze oder Ideale zu erfüllen. Womit wiederum unser Widerstand wächst und wir uns in einem Teufelskreis befinden. Die Ideale, die ein Vereinsmeier oder Beamter in seiner Kindheit übernahm unterscheiden sich intensiv von denen eines Punkers oder eines Rockers. Solange unsere Ideale nicht gefährdet erscheinen, fühlen wir uns wohl und haben keine Angst oder Aggression. Jedoch beunruhigt uns bereits die Existenz von Gruppen mit anderen Idealen als unseren eigenen. Massive Angst oder Aggression entsteht jedoch in uns, wenn die Ideale der anderen Gruppe unsere eigenen Ideale gefährden. Punker und Vereinsmeier haben sehr selten miteinander zu tun. Die Unterschiedlichkeit der Ideale beider Gruppen verursachen in den Mitgliedern beider Gruppen jedoch intensive Aggressionen und wüste Beschimpfungen der jeweiligen Gegengruppe. Ein Feindbild ist entstanden. Feindbilder entstehen umso leichter, je mehr eine Idealidentifikation besteht, die mit anderen Idealidentifikationen konfrontiert wird. Besteht nun keine Distanzierungsmöglichkeit zwischen Menschen unterschiedlicher Idealidentifikationen, so ist Krieg fast unausweichlich. Keiner der mir bekannten Kriege verlief ohne Idealidentifikation und daraus resultierenden Feindbildern. Das Prinzip scheint immer das selbe zu sein, ob Kleinkrieg innerhalb einer Familie oder ein Krieg zwischen Staaten. Auch die Schuldempfindung ist eine Angstform, die mit der Identifikation mit unseren Rollen zu tun hat. Sobald wir uns zum Beispiel mit der Rolle eines Ehemannes identifizieren, übernehmen wir auch die Pflichten, Zuständigkeiten und Rechte eines Ehemannes. Wir haben Erwartungshaltungen über die Dinge, die uns als Ehemann doch zustehen. Wir reagieren mit Aggressionen, sobald die Umwelt, meistens in Form unserer Frauen, unsere Ehemann - Privilegien nicht erfüllt. Sobald wir jedoch eine oder mehrere unserer rollenorientierten Pflichten nicht erfüllen und dadurch jemand leidet, dem oder der die Erfüllung unserer Pflichten zugestanden hätte, fühlen wir unser schlechtes Gewissen und unsere Schuldempfindungen bohren. Normenorientiert versuchen wir nun, unsere unangenehmen, Angst auslösenden Schuldempfindungen dadurch abzubauen, indem wir gezwungenermaßen unsere Pflichten zu erfüllen versuchen. Ähnlich wie unsere Schuldempfindungen sind auch unsere Mitleidsempfindungen erst eine Folge unserer Identifikationen. Durch die Erklärung der uns anerzogenen, konstruierten Rollen ist das Verständnis der Angst möglicherweise etwas gewachsen. Hier noch einmal die Definition der Angst: Angst ist eine Emotion, die in der Folge einer empfundenen Wertgefährdung entsteht. Die Angst hat den Zweck, den gefährdet erscheinenden Wert zu schützen. Die Angst kann nicht zwischen biologischen, also angeborenen Werten und den uns anerzogenen konstruierten Fremdwerten unterscheiden.

Die erste Gruppe sind die Konstruktivängste. Sie entstehen, wenn einer unserer biologischen Werte gefährdet erscheint. Somit erhalten diese Ängste unsere Lebensfähigkeit und unsere Lustbefriedigungsfähigkeit.

Die zweite Gruppe sind die Destruktivängste. Sie entstehen, wenn Konstrukte, wie unsere Rollen oder Ideale angegriffen erscheinen. Diese Ängste versuchen also unsere Rollen oder Ideale aufrechtzuerhalten. Nachdem diese Konstrukte nicht real existieren, können Sie nicht real geschützt oder verteidigt werden. Der Schutzmechanismus beschränkt sich also darauf, Gegenangriffe gegen den scheinbaren Angreifer zu praktizieren oder und unsere gefährdet erscheinenden Rollen oder Ideale zu intensivieren.

 

Identifikation

Identifikation ist ein Wort, mit dem wir auf das erste Hören nicht so viel anfangen können. Wir haben Schwierigkeiten, uns klar zu machen, was das Wort bedeutet und zu verstehen, in welchen Bereichen wir etwas damit zu tun haben könnten. Noch schwerer sind die weitreichenden, destruktiven Folgen unserer Identifikationen zu verstehen. Wir werden nun dieses Wort und was dahinter steckt, intensiver betrachten. Das Wort Identifikation kam aus dem Lateinischen Identitas und bedeutete Wesenseinheit, es hat Verwandtschaft zum Wort identisch. Der Vorläufer des lateinischen Identitas war vermutlich das Wort isdem, was bedeutete "eben der, ein und derselbe". Das Wort Wesenseinheit, erscheint mir besonders beachtenswert. Eine Einheit, also Wesenseinheit waren wir Menschen nur zum Moment der Geburt und danach nicht mehr lange. Wir waren noch auf uns selbst orientiert. Unsere angeborenen "biologischen Werte" haben in erster Linie zum Ziel, die Lebensfähigkeit zu erhalten oder sie zu intensivieren. Solange unsere Lebensfähigkeit nicht gefährdet erscheint, besteht die Zielsetzung der biologischen Werte darin, den Zustand der Zufriedenheit durch die Lustbefriedigung zu erreichen. Damals war unsere Welt noch in Ordnung, als wir nur ein Wertsystem hatten, aus dem zwangsläufig eine Wesenseinheit resultierte. Mit Gewalt verpasste man und Frau oder Eltern und sonstige Umwelt uns ein zweites Wertsystem, das wir nun Fremdwertsystem nennen wollen. Mit der Anerziehung dieses zweiten Wertsystems war´s aus mit der Wesenseinheit, wir erhielten eine Wesenszwiespältigkeit.

Hier nun meine Definition des Wortes Identifikation :

Die Identifikation erscheint mir als ein Verwechlungsprozess unserer Psyche. Sie entstand in der Folge der erzwungenen Übernahme oder Introjektion von Fremdwerten, aus der sich eine Bereitschaft zur Gleichsetzung von Fremdstrukturen mit dem eigenen biologischen Selbst entwickelte.

Betrachten wir dieses abstrakte Definitionsgebilde etwas sachbezogener. Gehen wir davon aus, dass im Moment unserer Geburt nur ein biologisches Wertsystem in uns besteht, welches in erster Linie zum Ziel hat, die Lebensfähigkeit zu erhalten oder sie zu intensivieren. Solange unsere Lebensfähigkeit nicht gefährdet erscheint, besteht die Zielsetzung der biologischen Werte darin, den Zustand der Zufriedenheit durch die Lustbefriedigung zu erreichen. Dieses Wertsystem ist genial einfach, unkompliziert und effizient. Es ist rein funktionell orientiert. Positiv wird innerhalb dieses Wertsystems interpretiert, was unsere Lebensfähigkeit und oder unsere Lustbefriedigungsfähigkeit begünstigt. Lebensaspekte, die unsere Lebensfähigkeit und oder unsere Lustbefriedigungsfähigkeit gefährden lösen eine gesunde Angst aus, die den Zweck hat, die einzigen Werte, Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit, die in dieser Situation gefährdet erscheinen, zu erhalten. Das uns anerzogene Fremdwertsystem ist für uns sehr schwer zu durchschauen, es erscheint unübersichtlich. Wie erreiche ich als Kind den Zustand der geringsten Ablehnungs- oder Verlustangst. Was muss ich wem gegenüber tun, um so wenig wie möglich abgelehnt zu werden, um mir Verlustängste und andere Frustrationen zu ersparen? Was darf ich wem gegenüber nicht tun, um so wenig wie möglich abgelehnt zu werden, um mir Verlustängste zu ersparen? Papa mag dieses aber jenes nicht, Mama mag dieses aber jenes nicht, Schwestern oder Brüder mögen dieses aber jenes nicht, Tanten, Onkels, andere Verwandte und Bekannte mögen dieses aber jenes nicht. Dieses komplexe, vielfältige, extrem unterschiedliche tun müssen und nicht tun dürfen verwirrt, macht unsicher und löst jede Menge Angst in uns aus. Nicht genug damit, dass jeder in unserer Umwelt unsere Verhaltensweisen unterschiedlich beurteilt und uns danach mit seiner oder ihrem persönlichem positiven oder negativem Feedback bombardiert! Der Zeitfaktor ist für uns als Kinder völlig abstrakt und damit unverständlich. Wie sollen wir verstehen, dass die selbe Verhaltensweise, die in unser Vergangenheit bei vielen noch positives Feedback ausgelöst hat, nun bei vielen Menschen immer mehr negatives Feedback auslöst. Wie sollen wir verstehen, dass mit dem Prozess des Älterwerdens bestimmte Kinder - oder Narrenfreiheiten und Kinderlegitimationen verloren gehen? Wie sollen wir verstehen, dass mit unserem Älterwerden die Umwelt immer mehr Erwartungen und Leistungsanforderungen an uns stellt, die es gilt zu erfüllen? Und wie sollen wir den Grund aller Strafen verstehen, die wir erleiden, wenn wir die Erwartungen der Umwelt nicht erfüllen können oder wollen? Damit will ich erläutern, wie komplex dieses zweite Wertsystem für uns zu verstehen ist.

Wir kommen nun zur Erklärung des Wortes "Introjektion". Die Introjektion ist der Gewaltvorgang, bei dem ein Fremdwert in uns übernommen wird, so dass wir den eigentlichen Fremdwert als eigenen Wert interpretieren.

Hier einige Beispiele:

Das Nasenbohren ist für uns biologisch eine Möglichkeit, mit geringstem Aufwand einen störend empfundenen Gegenstand mithilfe des eigenen Fingers aus der eigenen Nase zu entfernen. In unserer jetzigen Gesellschaft und Zeit wird jedoch das Nasenbohren negativ interpretiert und als Folge dessen mit negativem Feedback beantwortet. Solange negatives Feedback isoliert auftritt, ist uns das ziemlich egal. Wird jedoch mit dem negativen Feedback noch ein biologischer Schadens - oder Strafprozess verbunden, wie geschlagen werden, früher ins Bett müssen, keine Nachspeise bekommen, Kommunikations - oder Liebesentzug, so sind wir dadurch leicht zu ängstigen und zu frustrieren. Infolge unseres assoziativen Denkens oder anders gesagt, gleichstellenden Denkens entsteht nun eine Verbindung von Nasenbohren mit Frustrationen und Angst. Wir sind nun bereit, das Nasenbohren, welches uns biologisch nicht negativ erscheint, negativ zu interpretieren. Damit ist im Bereich des Nasenbohrens der Prozess der Introjektion abgeschlossen. Wir sind nun auch bereit, andere mit Gewalt von der Negativität des Nasenbohrens zu überzeugen. Das Nasenbohren ist nur ein Beispiel von Vielen. Ähnlich verhält es sich mit der Selbstbefriedigung, dem Spucken, dem Weinen, der Unsauberkeit und vielem mehr. So wie wir gelehrt wurden, Dinge oder Verhaltensweisen, die biologisch nicht negativ sind als negativ zu bewerten, wurden wir auch gelehrt Dinge oder Verhaltensweisen, die biologisch nicht positiv sind, positiv zu interpretieren.

Beispiel: Als sehr kleine Kinder bedeutet Kleidung für uns einen funktionellen Schutz gegenüber unangenehmen Witterungen. Wenn wir über Felsen oder rauen Beton kriechen bedeutet sie für uns einen Reibungsschutz. Und so interpretierten wir manche Kleidung als funktionell positiv, solange sie unseren Spieltrieb nicht blockierte. Als jedoch unsere Eltern mithilfe der "schönen Kleidung" ein Demonstrationsobjekt des "schönen Kindes" aus uns machen wollten, interpretierten wir diese Kleidung zuerst mal als negativ. Denn, hatten wir diese Kleidung an, so durften wir nicht über Zäune steigen, wir durften nicht in den Sandkasten und schon gar nicht in unsere geliebte Kiesgrube. Vom Steigen auf unser Baumhaus ganz zu schweigen. Diese doofe Kleidung war uns also nur hinderlich. Wir empfanden diese doofe Kleidung als negativ, weil sie unsere Lustbefriedigungsmöglichkeiten behinderte. Irgendwann bekamen wir aber auch mal positives Feedback durch das Tragen dieser doofen, "schönen Kleidung". Auch hier währe uns das isolierte positive Feedback ziemlich egal gewesen. Sobald jedoch mit dem positiven Feedback durch die "schöne Kleidung" noch realer biologischer Nutzen durch Geschenke, länger Wachbleiben dürfen und so weiter verbunden wurde, sah die ganze Geschichte bereits total anders aus. Irgendwann assoziierten wir die eigentlich doofe Kleidung mit dem positiven Feedback und dem dadurch erhaltenen Nutzen durch Geschenke, Integrationsempfindungen, Liebesdemonstrationen. Und irgendwann interpretierten wir die doofe Kleidung als positiv. Auch insofern war damit ein Introjektionsprozess abgeschlossen. In diesem Moment besteht die Bereitschaft andere, auch mit Gewalt, mit dem Virus der "schönen Kleidung" zu infizieren. Welche Beispiele kennen wir noch, bei denen biologisch neutrale oder sogar schädliche Dinge oder Verhaltensweisen infolge eines Introjektionsprozesses irgendwann als positiv interpretiert werden? Schönheit, Alkohol, Gerüche, Ideale u.s.w.. Auch das Rauchen ist eines dieser Beispiele. Gehen wir kurz darauf ein. So wie uns die doofe, "schöne Kleidung" anfangs nur hinderlich erscheint, weil sie unseren Spieltrieb behindert, so erscheint uns das Rauchen anfangs auch nur unangenehm im Geschmack. Zudem sind wir gezwungen, dafür Geld auszugeben, das wir ja auch für Süßigkeiten, Spielzeug oder Ähnliches Verwenden könnten. Aber natürlich fanden wir auch bald bestimmte Nützlichkeiten des Rauchens, die uns in der Summe des Positiven mehr erschien als der furchtbare Geschmack und die Kosten im Negativen. Außerdem haben sich einige unserer Freunde eh schon an den blöden Geschmack gewöhnt. Oder taten die nur so, als wenn´s schmeckte. Wie dem auch sei, wir hofften darauf, dass der Zustand der Gewöhnung bei uns auch bald eintrat. Was war nun dieses, was wir in Verbindung mit dem Rauchen der Zigaretten als positiv interpretierten? In dieser Lebensphase war einer unserer größten Wünsche das Älter sein. Ältere durften mehr, hatten schon Freundinnen, durften in die Filme ab 18 Jahren und hatten einfach mehr von dem großen Gut "FREIHEIT". Nicht umsonst wirbt die Zigarettenindustrie assoziativ mit der Freiheit der großen weiten Welt! Eine Zigarette im Mundwinkel ließ uns nicht nur cool erscheinen, sondern sie machte uns gleich ein bis zwei Jahre älter. Uncool erschienen wir auch, wenn wir unsere Finger nervös über den Tisch gleiten hätten lassen oder in der Nase gebohrt hätten oder wenn wir auf unseren Fingernägeln rumgebissen hätten. Da machte sich der weiße Stängel in unseren Händen schon wesentlich besser. Die Zigarette vergrößerte unsere Chancen beim anderen Geschlecht enorm. Wir hatten durch das Rauchen die Möglichkeit, zur oder zum Auserwählten hinzugehen und zu fragen :"mogsd a oane, i bin da Bäda, wia hoasd´n Du und wos mochsdn haid no?" (Auf Deutsch: "Magst auch eine, ich bin der Peter, wie heißt denn Du, was machst denn heute noch?") Was sollten wir wohl ohne Zigarette in so einer Situation tun? Nicht auszudenken. Auch das Zigaretten-Schnurren war eine legitime Kontaktknüpfungsmöglichkeit, die uns die mögliche Bloßstellung eines direkten Kontaktversuches ersparte. Es war leichter zu verkraften, nur keine Zigarette zu kriegen, als als Mann im innersten erschüttert, gar noch öffentlich einen Korb zu ernten. Ein anderer Rauchgrund: Akzeptiert zu werden war und ist oft assoziiert damit, angenommen, integriert und geliebt zu werden. Im Verlauf unserer Pubertät und danach stellten die Rauchergruppen meist unsere favorisierten Freundeskreise dar. Um innerhalb dieser Gruppen akzeptiert, angenommen, aufgenommen und integriert zu sein, waren ganz bestimmte Verhaltensweisen und Äußerlichkeiten die Voraussetzung. Wir demonstrierten dieselben Ideale, Frisuren, Kleidungsart, Jargon, Tanzweise, Schminke und Verhaltensweisen. Gewissermaßen galten die Gruppenverhaltensweisen als Eintrittskarte in die Gruppe. Und das Rauchen war nun mal oft ein zentraler Kern der Verhaltensweise der idealisierten Gruppen. Somit verhalf uns das Rauchen zum Eintritt in die Gruppe, damit zur Akzeptanz, zum aufgenommen - und integriert Sein. Und die Integrationsempfindungen waren sowieso immer Mangelware. Ein weiterer Grund des Rauchens war der Widerstand in Form von Trotz, der aus dem meist gegebenen Verbot des Rauchens entstand. Wir zeigten uns vor unseren Freunden durch die Zigarette im Mund als der triumphierende Sieger im Rauchermachtkampf zwischen Eltern und Kind. Wieder ein Grund war die Pause - Legitimation. Stellen sie sich vor, sie sitzen an ihrem Arbeitsplatz am Schreibtisch. Sie lehnen sich zurück, sehen den Wolken draußen beim vorüberziehen zu, während sie eine kleine Arbeitspause einlegen. Ihr Chef betritt das Zimmer und sieht sie untätig dasitzen. Seine Frage: "Haben Sie nichts zu tun? Streiken Sie oder sind Sie krank?" ist fast schon vorprogrammiert. Hätten sie jedoch in der selben Situation eine Zigarette zwischen den Lippen, so würde ihr Vorgesetzter ohne zu fragen ihre Zigarettenpause akzeptieren und sich im Idealfall sogar noch rauchend zu ihnen gesellen. Dieser unbewussten Kenntnis folgend assoziieren wir selbst die Rauchzeit als kurze Zeit der Befreiung vom Arbeitsdruck. In uns entsteht der Eindruck, dass unser Rauchen eine Pause legitimiert. Und wieder haben wir eine Assoziation der Befriedigung. Andere mögliche Begründungen liegen in unserer ferneren Kindheit. Als kleine Menschen lag ein oft gegangener Weg zur Realitätserfahrung und -begreifung in unserem Mund. Nahrungsaufnahme erfolgte durch den Mund. Mund, Lippen und Zungenkontakt war vermutlich befriedigend. Wir lernten, Gegenstände durch "in den Mund schieben" besser kennen. Schon damals durften wir viele der Gegenstände nicht in den Mund schieben. Je älter wir wurden, um so mehr wurde uns verboten, Gegenstände durch "in den Mund schieben" kennen zu lernen. "Das tut man doch nicht" war die verbietende Äußerung der Umwelt. "Finger raus, Bleistift raus", und so weiter hörten wir immer wieder. Irgendwann kam dann die Zeit der Zigarette. Diese Mundkonfrontation war nun nicht mehr verboten, sondern sie wurde sogar von idealisierten Menschen gefördert. Was konnte uns besseres geschehen für unsere lang vermisste orale Befriedigung? Soviel kurz zum Thema Rauchen. Es ist nur ein Beispiel von vielen, bei denen durch den Vorgang der Identifikation und der Assoziation ein biologisch destruktives Verhalten schleichend immer positiver empfunden wird und schließlich sogar Sucht auslöst. Nicht selten führt eine solche Form der Identifikation zu Krankheit und auch zu Tod. Im Falle des Rauchens scheint der destruktive Part in Folge der Identifikation trotzdem noch nicht so destruktiv zu sein wie bei vielen anderen Identifikationen.

 

Feindbild

Angeboren hat der Mensch vermutlich ein sehr einfaches aber geniales Wertsystem, das nur in der Lage ist, die Werte "Lebensfähigkeit und Lustbefriedigung" zu bejahen. Dieses Wertsystem beinhaltet keine Möglichkeit der Verneinung. Ganz anders das uns anerzogene Wertsystem. Es beinhaltet scheinbar vorwiegend das Ziel, negatives Feedback und daraus resultierende Ablehnungen zu vermeiden. Ablehnung löst Angst aus. Und so versuchen wir den Zustand der geringsten Angstempfindung zu erreichen durch intensives Rennen nach positivem Feedback. Durch die Werte unserer Erzieher teilten diese uns mit, was in der jeweiligen Kultur positiv oder negativ interpretiert wurde. All unsere Ideale wurden uns auf diese Art in unserer frühen Kindheit mitgegeben. Die Älteren unter uns können sich noch an die Feindbilder erinnern, die damals die Russen für den Deutschen bedeuteten. Aber nicht nur Russen, sondern viele andere wertneutrale Bestandteile unserer Realität wurden negativ interpretiert und zu Feindbildern gemacht.

Und so können wir eine Definition aufstellen.

Ein Feindbild ist die Interpretation des Negativen in Verbindung mit Schädigung und Gefährdung die mit einer Struktur verbunden wird. Strukturen sind Menschen, deren Denkens - oder Verhaltensweisen oder auch Situationen und Umstände.

Die Existenz eines Feindbildes in unserer Psyche löst in erster Linie Angst aus. Unwesentlich scheint es, ob die Angst nun bewusst gefühlt wird oder "nur" unbewusst wirkt. Die durch das Feindbild entstandene Angst bewirkt einen Mobilisierungsprozess. Dieser Mobilisierungsprozess verursacht Fluchtverhalten oder ein aggressives, gegen das feindlich interpretierte Objekt gerichtetes Verhalten.

Solange die Einschätzung eines Feindbildes in solchen Situationen der Realität entspricht, resultiert aus dem realistischen Feindbild ein konstruktives Flucht - oder Angriffsverhalten, das für unser Überleben günstig erscheint. Entspricht aber unsere Einschätzung eines scheinbaren Feindes nicht der Realität, weil dieses gar kein Feind ist, so resultiert ein irreales Feindbild, das durch die trotzdem ausgelöste Angst nun ein destruktives, also schädliches Flucht- oder Angriffsverhalten auslöst. Fühlen wir also gegenüber einem Löwen ein Feindbild, so wird das resultierende Fluchtverhalten die Erhaltung unseres Lebens bedingen. Fühlen wir aber gegenüber einem Polizisten, der uns auf der Straße für eine Fahrzeugkontrolle anhielt, ein Feindbild, so bedingt unser aggressives "Was wollen Sie denn von mir" keine konstruktive Situation. Das Feindbild Schwiegermutter verursacht häufig, dass wir an "Dieser" kein gutes Haar mehr lassen. Das Feindbild "der böse Nachbar" wirkt ähnlich. Infolge unserer eigenen Feindbilder reagieren wir mit Verhaltensweisen, die aus unseren scheinbaren Feinden bald echte Feinde machen, weil denen gar nichts anderes übrig bleibt als unser Verhalten als aggressiv - angreifend zu interpretieren.

Prinzipien scheinen zu sein:

Unsere Feindbilder lösen Angst aus. Sie reduzieren damit unsere Objektivität und verursachen Aggressionen. Unsere irrealen Feindbilder bewirken Zerstörungen. Feindbilder unserer Umwelt können unter anderem sein: bestimmte Wettersituationen, Völker, Berufsgruppen, andere Religionen, Sekten, die Frauen, die Männer, Kinder, der vor uns langsam herfahrende Autofahrer und vieles andere. Unsere Feindbilder bestehen natürlich nicht nur gegen unsere Umwelt. Innerhalb von uns dienen unser Übergewicht, unsere Pickel, Falten, zu lange oder zu kurze Arme, zu helle, zu dunkle oder zu wenig Haare und vieles andere als Feindbilder.

Die polaren Gegenteile unserer Ideale stellen wieder andere Feindbilder dar:

Aus unserem Gerechtigkeitsstreben entsteht unser Ungerechtigkeitsfeindbild.

Aus unserem Liebesideal entsteht unser Feindbild gegen das Böse.

Aus unserem Gesundheitsideal entsteht unser Feindbild gegen die Krankheit.

Nun sind wir auch bereit, so genannte Krankheitssymptome in ein Feindbild zu zwingen. Fieber, Schmerz, Entzündungen und viele weitere gesunde Funktionen unseres Organismus werden feindlich betrachtet und dadurch bekämpft.

 

Partnerschaftsbezug zu Ideal, Identifikation und Feindbild

Worin schädigen wir nun uns und unsere Partnerschaften durch unsere Identifikationen mit Idealen oder kulturspezifischen Rollen? Und was hat das alles mit Feindbildern zu tun? Versuchen wir wieder, unsere psychische Struktur in ihre verschiedenen Komponenten zu zerlegen. Betrachten wir zunächst den biologischen Teil. Dieser Teil ist uns angeboren. Er hat in erster Linie zur Aufgabe, die Lebensfähigkeit zu erhalten. In Lebenssituationen, in denen unsere Lebensfähigkeit gefährdet erscheint, entsteht Angst, die ein konstruktives Flucht- oder Angriffsverhalten auslöst, das den Zweck hat, die Lebensfähigkeit zu erhalten. Diese angeborene Struktur unserer Psyche kann nur ein Feindbild gegenüber Realitätsanteilen aufbauen, die einen realen Gefahrencharakter besitzen. Die zweite Aufgabe des primärbiologischen Wertsystems ist, natürlich nur, solange keine Gefahren für unsere Lebensfähigkeit drohen, unsere Lustbefriedigung zu erreichen und zu erhalten.

Betrachten wir als nächstes den uns anerzogenen Fremdwertteil unserer Psyche.

Fremdwerte sind kulturspezifische Konstrukte. Diese Konstrukte werden im Verlauf unserer Erziehung durch den Prozess der Introjektion in uns übertragen. Nachdem eine Introjektion bezüglich eines Wertes abgeschlossen ist, sind wir der Meinung, es handle sich um unseren eigenen Wert. Und jeder Wert in einer Psyche, der angegriffen erscheint löst Angst aus. Sobald uns jedoch ein anerzogenes Ideal oder eine der uns anerzogenen Rollen, mit denen wir uns identifizieren, angegriffen erscheint, entsteht eine Angst, die meist ein destruktives Aggressionsverhalten oder seltener ein Resignationsverhalten nach sich zieht. Haben wir eine der Aufgaben, die in unseren Idealen oder Rollen stecken nicht oder ungenügend erfüllt, so entsteht in uns die alt bekannte Schuldempfindung. Sobald wir uns zum Beispiel mit der Rolle des Deutschen identifizieren, müssen wir uns angegriffen fühlen, sobald die Sprache auf unsere NS-Vergangenheit kommt. Identifizieren wir uns mit einem Fußball - oder Eishockeyverein, so sind oft die sportlichen Gegner für den Fan die verabscheuungswürdigsten Feinde, die er kennt. Identifizieren wir uns mit einer Automarke, so sind Verkehrsteilnehmer, die andere Autos fahren sowieso nicht für voll zu nehmen. Ein anderer Fahrstil, als der, der zu unserer Karosse passt, wird mit geringschätzigem Blick, Beschimpfungen oder Anzeigen beantwortet. Identifizieren wir uns mit der Rolle als Mann, so fühlen wir uns angegriffen, durch den Blick einer Frau auf unsere 2 Kilogramm Übergewicht, die sich zu allem Überfluss auch noch nur in der Zone um unseren Bauch angesammelt haben. In diesen und unzähligen anderen Situationen fühlen wir uns selbst angegriffen, und erkennen nicht, dass wir nur einen Angriff gegen unsere Rollen interpretierten. Sobald wir uns jedoch mit der Rolle identifizieren, entsteht Angst in uns, sobald wir sie als angegriffen empfinden. Und diese Angst wird nun einen schädlichen Schutzversuch gegenüber dem angegriffenen Wert, also der Rolle auslösen. Natürlich ist dieser Schutzversuch von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Denn der scheinbare Angriff lag in der Vergangenheit und war noch dazu nur verbaler Natur. Wo also sollte noch etwas zu schützen sein? Das einzige, was uns noch übrig bleibt, ist, einen massiven Gegenangriff, gegen den scheinbaren Angreifer zu führen um dem mitzuteilen, dass jegliche Angriffe seinerseits mit seinem Leid enden würden. Sagt jemand zum Beispiel zu uns, wir seien Blöd, so ist der Angriff durch seine Äußerung bereits geschehen und liegt damit in der Vergangenheit. Wir können also den angegriffenen Wert nicht mehr verteidigen. Aufgrund dessen beschränken wir uns auf den Gegenangriff und traktieren den Anderen mit wüstesten Schimpfworten, um dem Anderen mitzuteilen, er oder sie möge besser gar nicht mehr an weitere Angriffe denken. In solchen Situationen können wir also kaum mehr auf einen Inhalt der Aussage eingehen, sondern wir gehen sofort in den Gegenangriff gegen den scheinbaren Aggressor über. Nun sagen sie möglicherweise: "Wieso scheinbarer Aggressor? Der ist doch ein Aggressor!" Versuchen wir mal, unsere eigenen Emotionen in solchen Situationen zu analysieren.

Sie kommen gestresst in der Folge eines anstrengenden Tages nach hause. Sie hätten gern etwas konstruktiven Zuspruch von der Seite ihres Partners, der es jedoch vorzieht, einen langweiligen Spielfilm im Fernsehen zu verfolgen. Sie fühlen sich nun um ihr Recht als Partner auf Anteilnahme betrogen. Letzten Dienstag, als es ihrem Partner schlecht ging hatten sie auch Zeit gefunden, sich ihm ein Stündchen zu widmen. Und heute, wo es ihnen nicht gut geht ist niemand für sie da. Zwangsläufig fühlen sie sich nun als Opfer, weil ihre legitimen Bedürfnisse nicht erfüllt wurden. Einer ihrer Werte, aus dem sich eine Erwartungshaltung entwickelte wurde nicht respektiert. Und das löst natürlich Frustrationen und daraus entstehende Aggressionen aus. Sie der sie sich eigentlich als ein Opfer ihres Partners durch Missachtung fühlen werden nun für den Partner zu einem Aggressor. Die Art, wie sie ihrem Frust Luft machen, kann von ihm kaum anders betrachtet werden. Für ihn ist es nun völlig unklar, warum sie mit ihm nach der Beendigung seines Spielfilms kein Wort mehr reden und ihm nur kühlste Blicke zuwerfen. Aufgrund ihres Verhaltens wurden sie nun für ihn zu einem Aggressor und er wird ihnen gegenüber ein Feindbild aufbauen. Natürlich wird nun wieder ihr Partner seinerseits ein Verteidigungsverhalten aufbauen gegen den scheinbaren Aggressor, der eigentlich nichts anderes als ein Opfer ist. Wo immer wir ein irreales Feindbild innerhalb unserer Psyche haben, werden wir es sein die die ersten Steine werfen. Wir sind dann auch die, die sich beklagen über die scheinbaren destruktiven Reaktionen Anderer, die wir durch unser Steine - werfen jedoch ausgelöst haben.

Durch unser Feindbild haben wir Andere zum Opfer gemacht, das wir nun als Aggressor betrachten, weil sich dieser Andere wehrt. Nun betrachten wir uns als die armen angegriffenen Opfer der feindlich interpretierten Reaktionen Anderer. Alle bekannten Kriege oder Familienzwiste verliefen nach dem selben Muster einer Feindinterpretation. Bei genauerer Betrachtung jedoch gab und gibt es immer nur Opfer. Das Recht auf Verteidigung billigen wir uns und anderen immer zu, sobald wir eine Verteidigung erkennen. Das Recht auf Aggression billigen wir jedoch niemandem zu.

Ganz kurz gesagt versuche ich mit diesen Worten zu verdeutlichen, dass es keine Aggressoren, sondern nur Opfer gibt. Wir erkennen nur bei den meisten Aggressoren die Opferstruktur nicht.

Lernen wir also, innerhalb all unserer Negativinterpretationen Aufträge zu sehen, die Realität so verstehen zu lernen wie sie zu sein scheint.

Neutral !!!!