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Partnerschaft 1
Einführung
Für
uns Menschen scheint es eines unserer innigsten Bedürfnisse zu sein,
in kommunikativem Bezug und harmonischem Einklang zu unserer Umwelt
zu stehen. Eine intakte Partnerschaft erfüllt diesen Grundanspruch
des Menschen in unvergleichlicher Weise. Trotz unserer intensiven
Sehnsucht nach Liebe und Harmonie, die wir innerhalb von Partnerschaften
verwirklichen könnten, gelingt es uns allen immer seltener, befriedigende
Partnerschaften aufzubauen und dann auch zu erhalten. Beim Blick
zurück auf diese und vergangene Partnerschaften fallen uns oft an
uns oder an unseren Partnern zerstörerische Denk - und Verhaltensweisen
auf, die mit zur Zwistentstehung oder sogar zur Beendigung der Partnerschaft
führten. Wir erkennen, dass wir oft unsere Partner oder uns selbst
nicht verstehen oder verstanden haben. Mit Partnerschaften verhält
es sich ähnlich wie mit sehr komplizierten Maschinen. Das Verstehen
gegenüber deren komplexen Funktionen ist die Voraussetzung für eine
optimale Nutzung.
Als nützlich hat es sich für den Menschen erwiesen,
Gruppen oder Partnerschaften zu bilden, um das Leben lebenswerter
und voller zu gestalten. Von Geburt aus scheinen wir Menschen sehr
einfach aber funktionell auf Lebenserhalt und Lustbefriedigung orientiert
zu sein. Je einfacher wir Menschen strukturiert sind, um so einfacher,
jedoch durchaus funktionell entwickeln sich unsere Partnerschaften.
Unsere Erziehungen machten aus uns und unseren Partnern aber vielfach
sehr komplexe Individuen. Und mit dieser Komplexität fällt es uns
eben häufig sehr schwer, unsere oder unserer Partner Lebens - oder
Partnerschaftsanschauungen und Motive zu verstehen und in einer
Partnerschaft harmonisch zu vereinigen. Die Frustrationen und Narben
unserer Vergangenheit blockieren, solange sie unverstanden und noch
nicht bewältigt sind, jede gesunde Partnerschaft oder einen Neubeginn
einer Partnerschaft. Es erscheint also logisch, dass unser Verstehen
uns und unseren Partnern gegenüber eine Grundvoraussetzung für eine
effiziente Partnerschaft darstellt. Viele der Probleme, die wir
innerhalb unserer Partnerschaften erkennen können, resultieren aus
den Werten, die uns innerhalb unserer Vergangenheit anerzogen wurden.
Die Kultur, in der wir leben zeichnet sich dadurch aus, dass die
Menschendichte immer mehr zunimmt. Je dichter wir Menschen jedoch
aufeinander sitzen, umso mehr nimmt unser Widerstand vor Nähe und
unsere Angst gegenüber den Nächsten zu. Der Kontakt zu den Nachbarn,
die nur durch eine Mauer von uns getrennt sind, besteht meist gar
nicht. Eine Distanzierung entsteht als ein zwangsläufiger Schutzversuch
vor aufgedrängter Nähe. Unsere Kommunikationsbereitschaft reduziert
sich immer mehr, wir werden zu Einzelgängern innerhalb viel zu dicht
gedrängter Menschenmassen. Vergleichen wir unsere Kultur mit anderen,
bei denen der nächste Nachbar einige hundert Meter, oder sogar einige
Kilometer entfernt wohnt, so finden wir dort einen Zusammenhalt,
Geselligkeit und eine Kommunikationsbereitschaft vor, die wir bei
uns schon lange nicht mehr erkennen können. Unsere oftmalige Ungeselligkeit
sowie unsere Kommunikationsblockaden, die unsere Kultur in uns auslöste
gestalten den Partnerschaftserhalt oder die Partnerfindung vielmals
unmöglich. Oft ersticken die Normen der Gesellschaft durch ihren
Zwangscharakter die individuelle Lebendigkeit einer Partnerschaft.
Die Hintergründe von Partnerschaftskonflikten sind sehr vielfältig
und oft nicht direkt erkennbar. Versuchen wir, einigen dieser Hintergründe
auf die Spur zu kommen.
Und dieses Unterfangen beginnen wir wohl am besten mit der Definition
des Wortes Partnerschaft:
Partnerschaft ist eine Verbindung von
2 oder mehr Individuen, mit dem Ziel, Lebens- oder Existenzziele
durch die Verbindung besser erreichen zu können.
Die uns angeborenen, biologischen Werte beinhalten vermutlich nur,
das Leben und die Lustbefriedigung zu erhalten. Einfach, funktionell
und genial enthalten diese Werte alles, was wir Menschen brauchen
um glücklich zu sein. Was haben wir oder unsere Partner heute für
Lebens- oder Existenzziele und sind diese Ziele durch unsere Partnerschaften
erreichbar?
Angst
Wir
alle kennen Angst, dieses Gefühl, welches wir empfinden, wenn wir
eine Gefahr interpretieren. In vielen Situationen erkennen wir den
Nutzen der Angst, der darin zu liegen scheint, unser Leben zu schützen.
Wo immer wir das erkennen, richten wir uns nach dem, was uns die
Angst sagen möchte. Fahren wir zum Beispiel mit unserem Auto mit
70 Stundenkilometern auf eine Kurve zu, die auch mit einem Rennwagen
nur 50 Stundenkilometer verträgt, so sagt die Angst: "Fuß vom
Gaspedal und auf die Bremse damit!" Meist werden wir dem Motiv
und Ziel der Angst entsprechen und das tun, was uns diese Angst
sagen will. Sehen wir auf unserem Weg einen Hund angekettet, der
uns wütend anbellt, dessen messerscharfe Zähne uns entgegenleuchten
und dessen Größe uns imponiert, so sagt uns die Angst, wir sollten
uns besser nach einem Weg umsehen, auf dem die Konfrontation mit
dem Untier vermeidbar erscheint. Vermutlich kommen wir wieder dem
Motiv der Angst nach, und tun, was sie will. Oder auf einer Bergtour
kommen wir auf einige Meter an eine Klippe heran, nach der es ca.
800 Meter senkrecht nach unten geht. Die Angst will uns die Annäherung
an die Klippe und das eventuelle hinunterfallen ersparen und wir
erfüllen ihr den Wunsch. Diese Ängste sind also für uns sehr lebenserhaltend,
und wir, die wir noch am Leben sind, haben bis jetzt meist auf unsere
Ängste gehört. Eine Form der Angst ist somit beschrieben. Wir kennen
aber noch viele andere Formen. Was ist zum Beispiel mit den Ängsten,
die uns Lähmen, die uns in Panik bringen, die extreme Gewalten in
uns auslösen, die dafür sorgen, dass wir uns verkriechen wollen oder
die innerhalb von Sekunden unsere Achseln, Oberlippen, das ganze
Gesicht, die Hände, den Rücken, die Füße in Schweiß baden, die,
wenn ein attraktiver Vertreter des anderen Geschlechts anwesend
ist, uns den Bauch einziehen lässt, unsere Stimme wandelt, einen
anderen Gang bedingt, uns stottern, stammeln oder auch großspurig
daherreden lässt? Was ist mit unseren Existenzängsten? Eine andere
Form der Angst macht sich in der Depression bemerkbar, wie entsteht
sie? Was ist mit der Angst, ob wir den scheinbaren Erwartungen unserer
Partner entsprechen können? Was ist mit unserer Angst vor dem Neinsagen
(Abgrenzung),
dem Fehler machen? Was ist mit unserer Angst vor der Krankheit,
dem Symptom, dem Siechtum und der Abhängigkeit im Alter, vor dem
Tod? Was ist mit der Angst vor Freiheitsverlust oder dem Verlust
von Partnern, Gegenständen oder Idealen? Und was ist mit der Angst
vor Schuldempfindungen oder Sünden? Jeder von uns findet manche
dieser Ängste in sich wieder. So unterschiedlich all diese Angstformen
auch erscheinen, sie alle funktionieren nach dem gleichen Prinzip.
Und dieses Prinzip ist relativ einfach zu verstehen.
Beginnen wir mit der Definition der Angst: Angst ist eine Emotion,
die in der Folge einer empfundenen Wertgefährdung entsteht. Die
Angst hat den Zweck, den gefährdet erscheinenden Wert zu schützen.
Die Angst kann nicht zwischen biologischen, also angeborenen Werten
und den uns anerzogenen konstruierten Fremdwerten unterscheiden.
Aus einer Gefährdung unserer biologischen Werte resultiert eine
konstruktive Verhaltensweise, die den Zweck hat, die Werte Lebensfähigkeit
und Lustbefriedigungsfähigkeit zu erhalten. Hingegen verursacht
eine Gefährdungsempfindung gegenüber unseren Rollen im Allgemeinen
eine destruktive Aggression gegen den scheinbaren Angreifer oder
ein Kompensationsverhalten. Und dieses bedeutet für uns und die
Umwelt nur Schaden.
Versuchen sie sich, unsere Denkabläufe vorzustellen.
Ähnlich, wie wir in der Mathematik mit Zahlen oder Werten rechnen,
berechnen oder bewerten, funktioniert auch unser Denken insgesamt.
Nennen wir deshalb unsere oberste Denkstruktur einen Wert. Durch
die, aus unseren Werten entstandenen Bewertungen bestimmen wir die
Wichtigkeit und Charakteristik von Realitätsanteilen und die Wichtigkeit
und Charakteristik von Konstrukten. Konstrukte sind von Zivilisationen
oder Kulturen konstruierte irreale Strukturen. Zu den Konstrukten
zählen die Ehrbereiche, Ideale und Rollen, die uns im Laufe der
Erziehung vermittelt wurden. Die Werte innerhalb unserer Psyche
haben also zwei verschiedene Bezüge. Zum Einen besteht der uns angeborene
Wertbereich, der zur Aufgabe hat, unsere Lebensfähigkeit zu erhalten
oder zu intensivieren. Erscheint unsere Lebensfähigkeit nicht gefährdet,
so ist das oberste Ziel des angeborenen Wertbereichs die Lustbefriedigung.
Insofern ist dieser, uns angeborene Wertbereich der konstruktivere
mit dem intensivsten Realitätsbezug. Ein anderer Bezug besteht zu
den schon angesprochenen Konstrukten, unseren Ehrbereichen, Idealen
und damit unseren Rollen. Dieses Wertsystem nenne ich das Fremdwertsystem,
da es nicht unserem biologischen, uns angeborenen Wertsystem entspricht.
Diese, uns gewaltvoll anerzogenen Fremdwerte wollen den Zustand
der geringsten Ablehnungs- oder Verlustangst erreichen. Und das
wird durch Normenverhalten mit dem Ziel der Vermeidung von negativem
Feedback und dem Erstreben von möglichst viel positivem Feedback
versucht. Es scheint immer das selbe Prinzip zu sein: Unseren Erziehern
wurden in deren Erziehung mit Gewalt Werte anerzogen. Mit diesen
anerzogenen Werten, mit denen sie sich jedoch bereits identifiziert
haben, bewerteten sie unsere Verhaltensweisen. Manche unserer Verhaltensweisen
bewerteten sie als negativ. Manche unserer durchaus gesunden und
biologischen Verhaltensweisen, die negativ interpretiert wurden
führten dadurch für uns kindliche Opfer zu Frustrationen durch Strafe.
Mit diversen Formen von negativem Feedback wurden wir erpresst, sobald
unsere Handlungsweise den Erwartungen unserer Erzieher im negativ
interpretierten Sinn nicht entsprach. Niemand wundert sich, dass
in uns eine Menge Angst entstand. Diese Angst konnten wir dadurch
reduzieren, dass wir Verhaltensweisen demonstrierten, die in unserer
Umwelt positives Feedback auslösten. Durch all diese Vorgänge erhielten
wir ein ähnliches Fremdwertsystem wie das unserer Erzieher, mit
dem wir uns unsererseits wieder identifizieren. Vermutlich geben
wir die uns anerzogenen Fremdwerte wieder mit ähnlichen Gewalten
an unsere Kinder oder sollte ich besser sagen Opfer weiter, in denen
dann die selben Ängste entstehen, die uns seit Jahren durch unser
Leben begleiten und unser Dasein auf oft schädliche Weise leiten.
Kugel
und Rollen
Stellen
sie sich den Menschen kurz nach seiner Geburt vor. Er gleicht mit
seinem genialen Wertsystem, das auf Lebensfähigkeit und Lustbefriedigung
orientiert ist, einer optimal runden Kugel. Die Kugel ist also im
Weiteren ein Symbol für einen Menschen, dem noch nicht durch den
Spießrutenlauf der Erziehung Fremdwerte aufgezwungen wurden, die
im Verlauf des Lebens des Erzogenen viel Schaden bedingen. Dabei
ist zu unterscheiden zwischen Erziehung und Information. Der Erziehungsprozess
erscheint mir als ein Gewaltvorgang, bei dem die Umwelt einem zu
Erziehenden erpresserisch ein kulturspezifisches Wertsystem aufzwingt,
das nur durch Angst seine Wirkungen und Ziele erreicht. Anders der
Prozess der Information. Dabei werden einem jungen Menschen Informationen
angeboten, deren Integration ins Wertsystem jedoch der Entscheidung
des Kindes überlassen wird. Die Kugel ist also dieses Symbol für
eine BIOLOGISCHE, SELBSTORIENTIERTE, EINHEIT die den Menschen direkt
nach seiner Geburt darstellt. Stellen sie sich nun wieder vor,
dass
auf der Oberfläche der Kugel alle Begriffe, die wir kennen, geschrieben
stehen. So stehen zum Beispiel die Worte "klein, fleißig, Depp,
hässlich, schön, Liebling, dick, faul, intelligent, Nasenbohrer,
langsam" und so weiter darauf. Diese Worte, mit denen wir unsere
Realität interpretieren sind positiv bewertet, solange sie unsere
Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit aufrechterhalten
oder intensivieren. Realitätsaspekte, die unsere Lebensfähigkeit
und Lustbefriedigungsfähigkeit gefährden führen zu einer gesunden
Angst und dadurch zu gesundem Abwehrverhalten und Widerstand, die
den Zweck haben, die Werte Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit
zu erhalten. Dieses biologische Wertsystem macht es uns leicht,
die Realität konstruktiv zu interpretieren und uns in sie harmonisch
zu integrieren. Im Verlauf unserer Kindheit bewertet die Umwelt
in Form der Eltern, Freunde, Verwandten und Bekannten unsere Charakteristika.
Unsere Charakteristika sind mit den Worten auf unserer Oberfläche
gleichzusetzen. Innerhalb unserer zur Zeit bestehenden Kultur werden
nun meist die Worte "klein, Depp, hässlich, dick, faul, Nasenbohrer,
langsam", negativ interpretiert und somit werden wir mit dem
negativen Feedback der Umwelt bombardiert, sobald wir unsere Umwelt
mit diesen, unseren Eigenschaften konfrontieren. Negatives Feedback
erhalten wir durch die bekannten Strafaktionen wie: Schimpfen, Schläge,
früher ins Bett müssen, Liebesentzug, Schuldprojektionen, Nachtischentzug
oder Strafarbeiten. Diese Strafen lösen in uns Ängste aus. Wir erkennen
nun, dass, wenn wir Eigenschaften wie :"klein, Depp, hässlich,
dick, faul, Nasenbohrer, langsam" und so weiter in unserer
Umwelt demonstrieren, daraus Schaden, in Verbindung mit Angst, für
uns entsteht. Mit der Zeit werden dadurch auch wir Aspekte, die
zuerst nur die Umwelt an uns negativ bewertet, selbst negativ bewerten.
Die Angst davor, negativ bewertet zu werden, konnten wir dadurch
reduzieren, dass wir Verhaltensweisen demonstrierten, die in unserer
Umwelt positives Feedback auslösten. Durch Liebsein, Bravsein, Schönheit,
Intelligenz, Leistung waren wir nicht nur in der Lage, Strafaktionen
zu vermeiden, sondern wir ernteten sogar positives Feedback in Form
von Liebesdemonstrationen, Scheinakzeptanz, länger wach bleiben
dürfen, neues Spielzeug, besondere Nachtische und scheinbare Freiheiten.
Stellen sie sich wieder unsere Oberfläche vor, auf der all die uns
bekannten Begriffe stehen. Wir erkennen bald: wann immer wir durch
unsere Verhaltensweisen Eigenschaften oder Charakteristika demonstrieren,
die innerhalb unserer Umwelt negativ bewertet werden, erhalten wir
Frustrationen. Diese Frustrationen können wir dadurch vermeiden,
dass wir diese Eigenschaften nicht mehr zeigen. Symbolisch gesagt
decken wir das Wort "Nasenbohrer" auf unserer Oberfläche
einfach dadurch zu, dass wir nicht mehr öffentlich Nasenbohren. Wir
geben dadurch vor, kein Nasenbohrer zu sein. So verfahren wir auch
mit anderen Dingen: Wir versuchen, nicht mehr "klein, deppert,
hässlich, dick, dumm, faul, langsam" zu erscheinen. Quasi decken
wir diese Worte auf unserer Oberfläche zu, so dass sie von niemandem
mehr gesehen werden. Zum Zudecken dieser Worte ist uns alles recht.
Wir verwenden Papierstückchen, Schlamm oder wir halten Luftballons
wie zufällig vor diese nun negativ interpretierten Worte. Alles
ist uns willkommen, um der Umwelt vorzutäuschen, wir seien nicht
"klein, deppert, hässlich, dick, dumm, faul, langsam".
Diese und andere, jetzt negativ interpretierte Eigenschaften seien
uns völlig fremd. Das "Kleinsein" können wir mit dickeren
Schuhsohlen kompensieren. Den dummen, faulen, langsamen Depp zu
verstecken, tun wir uns schon etwas schwerer aber wir finden Mittel
und Wege, auch dieses zu kompensieren. Das Hässliche an uns lässt
sich wegschminken und was der Schminke trotzt kann man oder Frau
wegoperieren lassen. Dem, was dick an uns erscheint, rücken wir
mit brutalen Abmagerungskuren, mit Diäten oder in Fitnessclubs zu
Leibe. Auf was verzichten wir nicht alles und wie vergewaltigen
wir uns auf vielfältige Arten und Weisen. Und das alles nur um die
Angst zu vermeiden, die entstünde, wenn die Umwelt erführe, welche
und wie viele negative Eigenschaften wir glauben zu haben. Eben
alle unsere Negativrollen. Kommen wir nun zur anderen Art von Rollen
die man uns anerzogen hat, den Positivrollen. Wenn wir Eigenschaften
zeigten, die die Umwelt als positiv bewertete, wie zum Beispiel:
Schönheit, Fleiß, Intelligenz, Größe, Leistungsfähigkeit, Weitsicht
und so weiter brauchten wir keine Angst vor Ablehnung zu haben sondern
erhielten sogar positives Feedback in Form von Liebesdemonstrationen,
Scheinakzeptanz, länger wach bleiben dürfen, neues Spielzeug, besondere
Nachtische und scheinbare Freiheiten. Kein Wunder, dass wir uns eilig
daranmachten, diese Worte, die von der Umwelt positiv interpretiert
wurden, auf unserer Oberfläche herauszuputzen. Wir verzierten die
Worte mit kleinen aber auffallenden goldenen Rähmchen, polierten
sie auf Hochglanz und zeichneten sie mit Leuchtfarbe nach. Wir halten
wie zufällig Vergrößerungsgläser vor manche der positiv interpretierten
Worte. Auf diese Art versuchen wir, auf unsere Positivrollen aufmerksam
zu machen. Wir stellen uns dar, als wären wir viel schöner, fleißiger,
intelligenter, größer, leistungsfähiger oder weitsichtiger, als
wir real sind. Tarnen und Täuschen heißt unser Motto. Durch all
die uns anerzogenen Fremdwerte verzerren wir unsere Realität. Wir
haben nun keine geniale Kugelform mehr. Sobald wir uns mit all diesen
Rollen identifiziert haben, sind wir nicht mehr in der Lage, zu
Eigenschaften, wie "klein, deppert, hässlich, dick, dumm, faul,
langsam" zu stehen. Manche dieser Eigenschaften demonstrieren
wir täglich mehrmals. Es ist nun mal unsere Realität. Biologisch
genügt uns unsere Schönheit, Fleiß, Intelligenz, Größe, Leistungsfähigkeit,
Weitsicht und so weiter allemal, um unsere Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit
zu erhalten. Müssen wir denn immer damit weiter machen, uns und
anderen immer etwas vorzumachen mit unseren Rollen, die inzwischen
eine Eigendynamik entwickelt haben? Vielleicht immer weniger, je
mehr wir die Schäden erkennen, die die Rollen und Identifikationen
mit uns und in uns und in unserer Umwelt verursachen. Dass wir aufgrund
der Rollen in unserer Identitätsstruktur sehr angstgesteuert durch
unser Leben gehen ist nun etwas klarer geworden. Durch die Hineinerziehung
der Rollen mit den darin enthaltenen Werten in uns entstand eine
enorme Menge von Angegriffenseinsempfindungen und Ängsten. Es resultierten
Spannungen, die wiederum unsere Aggressionen und Gegenangriffsbestrebungen
nach sich zogen. Hätten wir nur Angst, wenn unsere biologischen
Werte gefährdet wären, so würden wir leben wie im Paradies. Dummerweise
kann unsere Angst nicht unterscheiden zwischen den Werten, mit denen
wir geboren wurden und den Werten, die uns anerzogen wurden. Sobald
also jemand in unserer Umwelt nun an einer unseren Rollen kratzt,
fühlen wir Angst. Jemand nennt uns dumm und kratzt damit eine Schicht
von dem Dreck über dem Wort "dumm" ab, den wir angebracht
haben, um eben nicht als dumm erkannt zu werden. Nachdem wir uns
mit dem "nicht dumm sein wollen" und dem Dreck über dem
Wort "dumm" identifiziert haben führt ein Kratzen an dem
Dreck zu einer Empfindung, als würden wir selbst angegriffen. Und
dies wiederum löst Angst aus, aus der Gegenangriffsbestrebungen
oder Kompensationen resultieren. Könnten wir zu unserer Dummheit,
die sich doch des Öfteren in unserem Tagesablauf zeigt stehen, so
hätten wir es nicht nötig, Dreck über das Wort zu schmieren, sondern
könnten es gut sichtbar und lesbar auf unserer Oberfläche stehen
lassen. Kommt nun jemand aus unserer Umwelt und nennt uns dumm,
so kratzt er oder sie nicht an dem Dreck auf uns, weil nämlich keiner
da ist. Er oder sie spricht nur etwas offenkundiges an und wir können
nur zustimmen, dass sich neben unseren Intelligenzbereichen auch
einige Dummheitsbereiche zeigen. Durch das Beiseiteschieben des
Vergrößerungsglases vor dem Wort "Intelligent" empfinden
wir wieder einen Wert als gefährdet. Wieder hat jemand erkannt,
dass wir gar nicht so intelligent sind, wie wir versuchten, der Umwelt
zu demonstrieren. Wir wurden bloßgestellt und das löst eine Menge
Angst aus. Wie gesagt hat die Angst die Aufgabe, den gefährdet erscheinenden
Wert zu schützen. Und da die Angst nicht unterscheiden kann zwischen
gefährdet erscheinenden Eigenwerten und den uns anerzogenen Fremdwerten
muss sie versuchen, den gefährdet erscheinenden Fremdwert zu schützen.
Nur, wie soll die Angst dieses Konstrukt "Fremdwert" schützen?
Die Werte Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit haben reale
Bezüge. Doch wie soll die Angst ein "nicht dumm erscheinen
wollen" schützen? Sie tut sich dabei verdammt hart. Und trotzdem
versucht sie es. Hat jemand aus unserer Umwelt einen unserer Dummheitsbereiche
entlarvt, so sagen wir einfach, es stimmt nicht. Wir waren das gar
nicht. Wir versuchen, mit übertriebener Intelligenzdemonstration
zu kompensieren. Wir werten den Anderen ab, indem wir auf seine
noch viel größeren Dummheitsbereiche hinweisen. Wir lenken elegant
oder auch mühsam vom peinlichen Thema ab und reden übers Wetter.
Oder wir werden einfach aggressiv und verhauen den scheinbaren Angreifer.
Wie oft geschieht es, dass wir durch Worte Anderer Angst empfinden
und uns angegriffen fühlen, ohne auch nur im Mindesten real angegriffen
zu sein? Auf welche Arten "verteidigen" wir uns oder besser
gesagt unsere Rollen und wie praktizieren wir unsere Gegenangriffe?
Sobald wir erkennen, dass Worte unsere biologischen Werte niemals
angreifen können, sondern immer nur unsere anerzogenen Rollen, also
Konstrukte angreifen, wird uns klarer, wie oft wir in der Folge
der Identifikationen mit unseren Rollen mit Angst und Aggressionen
reagieren. Der Übertragungsprozess von Rollen und Idealen in unserer
Vergangenheit gleicht einer Situation, bei der uns jemand anweist,
die Hände aufzuhalten, woraufhin derjenige eine Riesenportion
hineinkackt
und zu uns sagt: "Dieses wird ein wesentlicher Inhalt Deines
Lebens sein. Beschütze, verteidige und vermehre es Dein Leben lang."
Und das tun wir dann auch, nachdem wir uns mit dem Kot der
Gesellschaft
identifizierten. Durch unsere Identifikationen machen wir uns und
unserer Umwelt das Leben ganz schön oder besser gesagt unschön schwer.
Wir erkennen nun besser, wie wir uns durch geäußerte Worte aus unserer
Umwelt angegriffen fühlen, ohne es zu sein. Dadurch können wir aber
auch lernen, mehr zu unserer Realität zu stehen um damit ein bisher
nicht gekanntes Maß an Unangreifbarkeit und Stabilität zu erreichen.
Der
Kuckuck und die Amsel
Zu
diesem Thema noch ein Beispiel, das uns auch einen möglichen Erkenntnisweg
zeigt. Das Beispiel vom Kuckuck und der Amsel. In diesem Beispiel
sind sie die Amsel. Sie haben soeben einige Eier in ihr Nest gelegt.
Ihre eigenen Eier. Nennen wir ihre einzelnen Eier die Lebensfähigkeit,
das Fühlen, das Schmecken, das Hören, das Sehen, das Riechen, die
Neugierde, das Spiel, die Liebes - oder Harmonieempfindung. Nach
einer ihrer wenigen Brütpausen, bei denen sie sich mit Nahrung versorgten,
fliegen sie zurück und finden ein Ei mehr in ihrem Nest vor. Nachdem
sie als dumme Amsel nicht zählen können, kommt ihnen die ganze Sache
nur etwas eigenartig vor. Logisch erscheint es ihnen nicht, dass
irgendjemand auf die Idee käme, ihnen sein Ei ins Nest zu legen.
Obwohl es etwas größer und anders in der Farbe ist betrachten sie
es bald als ihr eigenes Ei und brüten eifrig weiter. Von einem Kuckuck
haben sie ja noch nie was gehört. Ab jetzt brüten sie an ihren eigenen
Eiern oder Werten und an dem Ei oder Wert, den ihnen die Umwelt
in Form eines Kuckucks in ihr Nest gelegt hat. Diesen kleinen Kuckuck,
den sie in Verbindung mit ihren eigenen Jungen ausgebrütet haben
betrachten sie nun jedoch auch als ihr eigenes Junges oder ihren
eigenen Wert, nachdem sie sich mit ihm identifiziert haben. Der
kleine Kuckuck symbolisiert die Normen, Ideale und Rollen, die uns von
der Umwelt ins Nest unserer Psyche gelegt wurden. Und nun liegt
es nun mal in der Natur der Sache, dass das Junge, das am lautesten
schreit die dicksten Würmer kriegt. Raten sie dreimal, welches Junge
am lautesten schreit! Natürlich ist es der Kuckuck, der die dicksten
Happen abkriegt. Auch unsere Umwelt ermahnt uns eindringlich
dieses Junge besonders zu füttern. Investitionen in die Vernunft
sind unserer Gesellschaft sehr wichtig.
Unsere eigenen Jungen bekommen schon auch mal einen
Happen ab, nachdem der Kuckuck kurz gesättigt ist, aber es reicht
oft gerade noch zum Überleben. Die Motive unserer Jungen sind die
Lebensfähigkeit und die Lustbefriedigung. Durch jede unserer biologischen
Befriedigungen bekommen unsere Jungen wieder einen Happen ab. Wir
werden stärker, ausgeglichener und dominanter. Unser Leben füllt
sich mit Energie. Das Motiv des Fremdwertes Kuckuck ist, den Zustand
der geringsten Angst zu erreichen. Dieses ist durch ein Normenorientiertes
Leben, in dem wir nicht anecken am ehesten zu erfüllen. Durch jede
Normerfüllung geben wir dem Kuckuck wieder ein dickes Stück Wurm
ab, das ihn wieder stärker macht. Mit jedem Schreien des Kuckucks
empfinden wir Angst, die wir mildern können, indem wir ihm wieder
ein Stuck Wurm in den weit aufgesperrten Schnabel stopfen. Kurz
gibt der Kuckuck die für uns ersehnte Ruhe, um dann ärgerlicherweise
mit neuer, noch größerer Energie und Lautstärke weiter zu schreien.
Und wir merken nicht, dass wir mit jeder Investition in die Fremdwerte
in Form einer Fütterung des Kuckucks in immer größere Abhängigkeit
gegenüber diesen Umweltforderungen geraten. So betrachtet sind wir
kaum klüger als die dumme Amsel, die sich von einem Kuckuck ein
Ei aufhängen ließ. Wir werden es wohl nie schaffen, dem Kuckuck
keinen Wurm mehr zu opfern. Aber wir können den Weg gehen, durch
Bewusstwerdung, wen wir nun wieder füttern und welcher Schaden oder
Nutzen daraus entsteht, unseren eigenen Jungen wieder mehr Energien
zukommen zu lassen. Ein Dominieren unserer eigenen Werte und eine
Reduktion der Angst auslösenden Fremdwerte wird die Folge sein.
Ideale
Kommen
wir zum Thema Ideale. Ideale erscheinen mir als die ethischen Maxima
einer Kultur. In unserer frühesten Kindheit wurden wir angehalten,
uns mit diesen Idealen zu identifizieren. Gerechtigkeit, Fairness,
Mut, Nationalismus, Redlichkeit, Ehre, Ehrlichkeit, Freiheit, Einigkeit
und Treue sind nur einige dieser Ideale. Ideale gleichen in ihren
Wirkungen Vorsätzen, die wir immer weniger erreichen, je mehr wir
es versuchen. Und je weniger wir Vorsätze oder Ideale erfüllen können,
umso intensiver wächst unser schlechtes Gewissen und Angst und mit
diesen Beiden das Motiv Vorsätze oder Ideale zu erfüllen. Womit
wiederum unser Widerstand wächst und wir uns in einem Teufelskreis
befinden. Die Ideale, die ein Vereinsmeier oder Beamter in seiner
Kindheit übernahm unterscheiden sich intensiv von denen eines
Punkers
oder eines Rockers. Solange unsere Ideale nicht gefährdet erscheinen,
fühlen wir uns wohl und haben keine Angst oder Aggression. Jedoch
beunruhigt uns bereits die Existenz von Gruppen mit anderen Idealen
als unseren eigenen. Massive Angst oder Aggression entsteht jedoch
in uns, wenn die Ideale der anderen Gruppe unsere eigenen Ideale
gefährden. Punker und Vereinsmeier haben sehr selten miteinander
zu tun. Die Unterschiedlichkeit der Ideale beider Gruppen verursachen
in den Mitgliedern beider Gruppen jedoch intensive Aggressionen
und wüste Beschimpfungen der jeweiligen Gegengruppe. Ein Feindbild
ist entstanden. Feindbilder entstehen umso leichter, je mehr eine
Idealidentifikation besteht, die mit anderen Idealidentifikationen
konfrontiert wird. Besteht nun keine Distanzierungsmöglichkeit zwischen
Menschen unterschiedlicher Idealidentifikationen, so ist Krieg fast
unausweichlich. Keiner der mir bekannten Kriege verlief ohne Idealidentifikation
und daraus resultierenden Feindbildern. Das Prinzip scheint immer
das selbe zu sein, ob Kleinkrieg innerhalb einer Familie oder ein
Krieg zwischen Staaten. Auch die Schuldempfindung ist eine Angstform,
die mit der Identifikation mit unseren Rollen zu tun hat. Sobald
wir uns zum Beispiel mit der Rolle eines Ehemannes identifizieren,
übernehmen wir auch die Pflichten, Zuständigkeiten und Rechte eines
Ehemannes. Wir haben Erwartungshaltungen über die Dinge, die uns
als Ehemann doch zustehen. Wir reagieren mit Aggressionen, sobald
die Umwelt, meistens in Form unserer Frauen, unsere Ehemann - Privilegien
nicht erfüllt. Sobald wir jedoch eine oder mehrere unserer rollenorientierten
Pflichten nicht erfüllen und dadurch jemand leidet, dem oder der
die Erfüllung unserer Pflichten zugestanden hätte, fühlen wir unser
schlechtes Gewissen und unsere Schuldempfindungen bohren. Normenorientiert
versuchen wir nun, unsere unangenehmen, Angst auslösenden Schuldempfindungen
dadurch abzubauen, indem wir gezwungenermaßen unsere Pflichten zu
erfüllen versuchen. Ähnlich wie unsere Schuldempfindungen sind auch
unsere Mitleidsempfindungen erst eine Folge unserer Identifikationen.
Durch die Erklärung der uns anerzogenen, konstruierten Rollen ist
das Verständnis der Angst möglicherweise etwas gewachsen. Hier noch
einmal die Definition der Angst: Angst ist eine Emotion, die in
der Folge einer empfundenen Wertgefährdung entsteht. Die Angst hat
den Zweck, den gefährdet erscheinenden Wert zu schützen. Die Angst
kann nicht zwischen biologischen, also angeborenen Werten und den
uns anerzogenen konstruierten Fremdwerten unterscheiden.
Die erste Gruppe sind die Konstruktivängste. Sie entstehen, wenn
einer unserer biologischen Werte gefährdet erscheint. Somit erhalten
diese Ängste unsere Lebensfähigkeit und unsere Lustbefriedigungsfähigkeit.
Die zweite Gruppe sind die Destruktivängste. Sie entstehen, wenn
Konstrukte, wie unsere Rollen oder Ideale angegriffen erscheinen.
Diese Ängste versuchen also unsere Rollen oder Ideale aufrechtzuerhalten.
Nachdem diese Konstrukte nicht real existieren, können Sie nicht
real geschützt oder verteidigt werden. Der Schutzmechanismus beschränkt
sich also darauf, Gegenangriffe gegen den scheinbaren Angreifer
zu praktizieren oder und unsere gefährdet erscheinenden Rollen oder
Ideale zu intensivieren.
Identifikation
Identifikation
ist ein Wort, mit dem wir auf das erste Hören nicht so viel anfangen
können. Wir haben Schwierigkeiten, uns klar zu machen, was das Wort
bedeutet und zu verstehen, in welchen Bereichen wir etwas damit
zu tun haben könnten. Noch schwerer sind die weitreichenden, destruktiven
Folgen unserer Identifikationen zu verstehen. Wir werden nun dieses
Wort und was dahinter steckt, intensiver betrachten. Das Wort Identifikation
kam aus dem Lateinischen Identitas und bedeutete Wesenseinheit,
es hat Verwandtschaft zum Wort identisch. Der Vorläufer des lateinischen
Identitas war vermutlich das Wort isdem, was bedeutete "eben
der, ein und derselbe". Das Wort Wesenseinheit, erscheint mir
besonders beachtenswert. Eine Einheit, also Wesenseinheit waren
wir Menschen nur zum Moment der Geburt und danach nicht mehr lange.
Wir waren noch auf uns selbst orientiert. Unsere angeborenen "biologischen
Werte" haben in erster Linie zum Ziel, die Lebensfähigkeit
zu erhalten oder sie zu intensivieren. Solange unsere Lebensfähigkeit
nicht gefährdet erscheint, besteht die Zielsetzung der biologischen
Werte darin, den Zustand der Zufriedenheit durch die Lustbefriedigung
zu erreichen. Damals war unsere Welt noch in Ordnung, als wir nur
ein Wertsystem hatten, aus dem zwangsläufig eine Wesenseinheit resultierte.
Mit Gewalt verpasste man und Frau oder Eltern und sonstige Umwelt
uns ein zweites Wertsystem, das wir nun Fremdwertsystem nennen wollen.
Mit der Anerziehung dieses zweiten Wertsystems war´s aus mit der
Wesenseinheit, wir erhielten eine Wesenszwiespältigkeit.
Hier nun meine Definition des Wortes Identifikation :
Die Identifikation erscheint mir als ein Verwechlungsprozess unserer
Psyche. Sie entstand in der Folge der erzwungenen Übernahme oder
Introjektion von Fremdwerten, aus der sich eine Bereitschaft zur
Gleichsetzung von Fremdstrukturen mit dem eigenen biologischen Selbst
entwickelte.
Betrachten wir dieses abstrakte Definitionsgebilde etwas sachbezogener.
Gehen wir davon aus, dass im Moment unserer Geburt nur ein biologisches
Wertsystem in uns besteht, welches in erster Linie zum Ziel hat,
die Lebensfähigkeit zu erhalten oder sie zu intensivieren. Solange
unsere Lebensfähigkeit nicht gefährdet erscheint, besteht die Zielsetzung
der biologischen Werte darin, den Zustand der Zufriedenheit durch
die Lustbefriedigung zu erreichen. Dieses Wertsystem ist genial
einfach, unkompliziert und effizient. Es ist rein funktionell orientiert.
Positiv wird innerhalb dieses Wertsystems interpretiert, was unsere
Lebensfähigkeit und oder unsere Lustbefriedigungsfähigkeit begünstigt.
Lebensaspekte, die unsere Lebensfähigkeit und oder unsere Lustbefriedigungsfähigkeit
gefährden lösen eine gesunde Angst aus, die den Zweck hat, die einzigen
Werte, Lebensfähigkeit und Lustbefriedigungsfähigkeit, die in dieser
Situation gefährdet erscheinen, zu erhalten. Das uns anerzogene
Fremdwertsystem ist für uns sehr schwer zu durchschauen, es erscheint
unübersichtlich. Wie erreiche ich als Kind den Zustand der geringsten
Ablehnungs- oder Verlustangst. Was muss ich wem gegenüber tun, um
so wenig wie möglich abgelehnt zu werden, um mir Verlustängste und
andere Frustrationen zu ersparen? Was darf ich wem gegenüber nicht
tun, um so wenig wie möglich abgelehnt zu werden, um mir Verlustängste
zu ersparen? Papa mag dieses aber jenes nicht, Mama mag dieses aber
jenes nicht, Schwestern oder Brüder mögen dieses aber jenes nicht,
Tanten, Onkels, andere Verwandte und Bekannte mögen dieses aber
jenes nicht. Dieses komplexe, vielfältige, extrem unterschiedliche
tun müssen und nicht tun dürfen verwirrt, macht unsicher und löst
jede Menge Angst in uns aus. Nicht genug damit, dass jeder in unserer
Umwelt unsere Verhaltensweisen unterschiedlich beurteilt und uns
danach mit seiner oder ihrem persönlichem positiven oder negativem
Feedback bombardiert! Der Zeitfaktor ist für uns als Kinder völlig
abstrakt und damit unverständlich. Wie sollen wir verstehen, dass
die selbe Verhaltensweise, die in unser Vergangenheit bei vielen
noch positives Feedback ausgelöst hat, nun bei vielen Menschen immer
mehr negatives Feedback auslöst. Wie sollen wir verstehen, dass mit
dem Prozess des Älterwerdens bestimmte Kinder - oder Narrenfreiheiten
und Kinderlegitimationen verloren gehen? Wie sollen wir verstehen,
dass mit unserem Älterwerden die Umwelt immer mehr Erwartungen und
Leistungsanforderungen an uns stellt, die es gilt zu erfüllen? Und
wie sollen wir den Grund aller Strafen verstehen, die wir erleiden,
wenn wir die Erwartungen der Umwelt nicht erfüllen können oder wollen?
Damit will ich erläutern, wie komplex dieses zweite Wertsystem für
uns zu verstehen ist.
Wir kommen nun zur Erklärung des Wortes "Introjektion".
Die Introjektion ist der Gewaltvorgang, bei dem ein Fremdwert in
uns übernommen wird, so dass wir den eigentlichen Fremdwert als eigenen
Wert interpretieren.
Hier einige Beispiele:
Das Nasenbohren ist für uns biologisch eine Möglichkeit, mit geringstem
Aufwand einen störend empfundenen Gegenstand mithilfe des eigenen
Fingers aus der eigenen Nase zu entfernen. In unserer jetzigen
Gesellschaft und
Zeit wird jedoch das Nasenbohren negativ interpretiert und als Folge
dessen mit negativem Feedback beantwortet. Solange negatives Feedback
isoliert auftritt, ist uns das ziemlich egal. Wird jedoch mit dem
negativen Feedback noch ein biologischer Schadens - oder Strafprozess
verbunden, wie geschlagen werden, früher ins Bett müssen, keine
Nachspeise bekommen, Kommunikations - oder Liebesentzug, so sind
wir dadurch leicht zu ängstigen und zu frustrieren. Infolge unseres
assoziativen Denkens oder anders gesagt, gleichstellenden Denkens
entsteht nun eine Verbindung von Nasenbohren mit Frustrationen und
Angst. Wir sind nun bereit, das Nasenbohren, welches uns biologisch
nicht negativ erscheint, negativ zu interpretieren. Damit ist im
Bereich des Nasenbohrens der Prozess der Introjektion abgeschlossen.
Wir sind nun auch bereit, andere mit Gewalt von der Negativität
des Nasenbohrens zu überzeugen. Das Nasenbohren ist nur ein Beispiel
von Vielen. Ähnlich verhält es sich mit der Selbstbefriedigung,
dem Spucken, dem Weinen, der Unsauberkeit und vielem mehr. So wie
wir gelehrt wurden, Dinge oder Verhaltensweisen, die biologisch
nicht negativ sind als negativ zu bewerten, wurden wir auch gelehrt
Dinge oder Verhaltensweisen, die biologisch nicht positiv sind,
positiv zu interpretieren.
Beispiel: Als sehr kleine Kinder bedeutet Kleidung für uns einen
funktionellen Schutz gegenüber unangenehmen Witterungen. Wenn wir
über Felsen oder rauen Beton kriechen bedeutet sie für uns einen
Reibungsschutz. Und so interpretierten wir manche Kleidung als funktionell
positiv, solange sie unseren Spieltrieb nicht blockierte. Als jedoch
unsere Eltern mithilfe der "schönen Kleidung" ein Demonstrationsobjekt
des "schönen Kindes" aus uns machen wollten, interpretierten
wir diese Kleidung zuerst mal als negativ. Denn, hatten wir diese
Kleidung an, so durften wir nicht über Zäune steigen, wir durften
nicht in den Sandkasten und schon gar nicht in unsere geliebte Kiesgrube.
Vom Steigen auf unser Baumhaus ganz zu schweigen. Diese doofe Kleidung
war uns also nur hinderlich. Wir empfanden diese doofe Kleidung
als negativ, weil sie unsere Lustbefriedigungsmöglichkeiten behinderte.
Irgendwann bekamen wir aber auch mal positives Feedback durch das
Tragen dieser doofen, "schönen Kleidung". Auch hier währe
uns das isolierte positive Feedback ziemlich egal gewesen. Sobald
jedoch mit dem positiven Feedback durch die "schöne Kleidung"
noch realer biologischer Nutzen durch Geschenke, länger
Wachbleiben
dürfen und so weiter verbunden wurde, sah die ganze Geschichte bereits
total anders aus. Irgendwann assoziierten wir die eigentlich doofe
Kleidung mit dem positiven Feedback und dem dadurch erhaltenen Nutzen
durch Geschenke, Integrationsempfindungen, Liebesdemonstrationen.
Und irgendwann interpretierten wir die doofe Kleidung als positiv.
Auch insofern war damit ein Introjektionsprozess abgeschlossen.
In diesem Moment besteht die Bereitschaft andere, auch mit Gewalt,
mit dem Virus der "schönen Kleidung" zu infizieren. Welche
Beispiele kennen wir noch, bei denen biologisch neutrale oder sogar
schädliche Dinge oder Verhaltensweisen infolge eines Introjektionsprozesses
irgendwann als positiv interpretiert werden? Schönheit, Alkohol,
Gerüche, Ideale u.s.w.. Auch das Rauchen ist eines dieser Beispiele.
Gehen wir kurz darauf ein. So wie uns die doofe, "schöne Kleidung"
anfangs nur hinderlich erscheint, weil sie unseren Spieltrieb behindert,
so erscheint uns das Rauchen anfangs auch nur unangenehm im Geschmack.
Zudem sind wir gezwungen, dafür Geld auszugeben, das wir ja auch
für Süßigkeiten, Spielzeug oder Ähnliches Verwenden könnten. Aber
natürlich fanden wir auch bald bestimmte Nützlichkeiten des Rauchens,
die uns in der Summe des Positiven mehr erschien als der furchtbare
Geschmack und die Kosten im Negativen. Außerdem haben sich einige
unserer Freunde eh schon an den blöden Geschmack gewöhnt. Oder taten
die nur so, als wenn´s schmeckte. Wie dem auch sei, wir hofften
darauf, dass der Zustand der Gewöhnung bei uns auch bald eintrat.
Was war nun dieses, was wir in Verbindung mit dem Rauchen der Zigaretten
als positiv interpretierten? In dieser Lebensphase war einer unserer
größten Wünsche das Älter sein. Ältere durften mehr, hatten schon
Freundinnen, durften in die Filme ab 18 Jahren und hatten einfach
mehr von dem großen Gut "FREIHEIT". Nicht umsonst wirbt
die Zigarettenindustrie assoziativ mit der Freiheit der großen weiten
Welt! Eine Zigarette im Mundwinkel ließ uns nicht nur cool erscheinen,
sondern sie machte uns gleich ein bis zwei Jahre älter. Uncool erschienen
wir auch, wenn wir unsere Finger nervös über den Tisch gleiten hätten
lassen oder in der Nase gebohrt hätten oder wenn wir auf unseren
Fingernägeln rumgebissen hätten. Da machte sich der weiße Stängel
in unseren Händen schon wesentlich besser. Die Zigarette vergrößerte
unsere Chancen beim anderen Geschlecht enorm. Wir hatten durch das
Rauchen die Möglichkeit, zur oder zum Auserwählten hinzugehen und
zu fragen :"mogsd a oane, i bin da Bäda, wia hoasd´n Du und
wos mochsdn haid no?" (Auf Deutsch: "Magst auch eine, ich bin
der Peter, wie heißt denn Du, was machst denn heute noch?") Was sollten wir wohl ohne Zigarette in
so einer Situation tun? Nicht auszudenken. Auch das Zigaretten-Schnurren
war eine legitime Kontaktknüpfungsmöglichkeit, die uns die mögliche
Bloßstellung eines direkten Kontaktversuches ersparte. Es war leichter
zu verkraften, nur keine Zigarette zu kriegen, als als Mann im innersten
erschüttert, gar noch öffentlich einen Korb zu ernten. Ein anderer
Rauchgrund: Akzeptiert zu werden war und ist oft assoziiert damit,
angenommen, integriert und geliebt zu werden. Im Verlauf unserer
Pubertät und danach stellten die Rauchergruppen meist unsere favorisierten
Freundeskreise dar. Um innerhalb dieser Gruppen akzeptiert, angenommen,
aufgenommen und integriert zu sein, waren ganz bestimmte Verhaltensweisen
und Äußerlichkeiten die Voraussetzung. Wir demonstrierten dieselben
Ideale, Frisuren, Kleidungsart, Jargon, Tanzweise, Schminke und
Verhaltensweisen. Gewissermaßen galten die Gruppenverhaltensweisen
als Eintrittskarte in die Gruppe. Und das Rauchen war nun mal oft
ein zentraler Kern der Verhaltensweise der idealisierten Gruppen.
Somit verhalf uns das Rauchen zum Eintritt in die Gruppe, damit
zur Akzeptanz, zum aufgenommen - und integriert Sein. Und die Integrationsempfindungen
waren sowieso immer Mangelware. Ein weiterer Grund des Rauchens
war der Widerstand in Form von Trotz, der aus dem meist gegebenen
Verbot des Rauchens entstand. Wir zeigten uns vor unseren Freunden
durch die Zigarette im Mund als der triumphierende Sieger im Rauchermachtkampf
zwischen Eltern und Kind. Wieder ein Grund war die Pause - Legitimation.
Stellen sie sich vor, sie sitzen an ihrem Arbeitsplatz am Schreibtisch.
Sie lehnen sich zurück, sehen den Wolken draußen beim vorüberziehen
zu, während sie eine kleine Arbeitspause einlegen. Ihr Chef betritt
das Zimmer und sieht sie untätig dasitzen. Seine Frage: "Haben
Sie nichts zu tun? Streiken Sie oder sind Sie krank?" ist fast
schon vorprogrammiert. Hätten sie jedoch in der selben Situation
eine Zigarette zwischen den Lippen, so würde ihr Vorgesetzter ohne
zu fragen ihre Zigarettenpause akzeptieren und sich im Idealfall
sogar noch rauchend zu ihnen gesellen. Dieser unbewussten Kenntnis
folgend assoziieren wir selbst die Rauchzeit als kurze Zeit der
Befreiung vom Arbeitsdruck. In uns entsteht der Eindruck, dass unser
Rauchen eine Pause legitimiert. Und wieder haben wir eine Assoziation
der Befriedigung. Andere mögliche Begründungen liegen in unserer
ferneren Kindheit. Als kleine Menschen lag ein oft gegangener Weg
zur Realitätserfahrung und -begreifung in unserem Mund. Nahrungsaufnahme
erfolgte durch den Mund. Mund, Lippen und Zungenkontakt war vermutlich
befriedigend. Wir lernten, Gegenstände durch "in den Mund schieben"
besser kennen. Schon damals durften wir viele der Gegenstände nicht
in den Mund schieben. Je älter wir wurden, um so mehr wurde uns
verboten, Gegenstände durch "in den Mund schieben"
kennen zu lernen.
"Das tut man doch nicht" war die verbietende Äußerung
der Umwelt. "Finger raus, Bleistift raus", und so weiter
hörten wir immer wieder. Irgendwann kam dann die Zeit der Zigarette.
Diese Mundkonfrontation war nun nicht mehr verboten, sondern sie
wurde sogar von idealisierten Menschen gefördert. Was konnte uns
besseres geschehen für unsere lang vermisste orale Befriedigung?
Soviel kurz zum Thema Rauchen. Es ist nur ein Beispiel von vielen,
bei denen durch den Vorgang der Identifikation und der Assoziation
ein biologisch destruktives Verhalten schleichend immer positiver
empfunden wird und schließlich sogar Sucht auslöst. Nicht selten
führt eine solche Form der Identifikation zu Krankheit und auch
zu Tod. Im Falle des Rauchens scheint der destruktive Part in Folge
der Identifikation trotzdem noch nicht so destruktiv zu sein wie
bei vielen anderen Identifikationen.
Feindbild
Angeboren
hat der Mensch vermutlich ein sehr einfaches aber geniales Wertsystem,
das nur in der Lage ist, die Werte "Lebensfähigkeit und Lustbefriedigung"
zu bejahen. Dieses Wertsystem beinhaltet keine Möglichkeit der Verneinung.
Ganz anders das uns anerzogene Wertsystem. Es beinhaltet scheinbar
vorwiegend das Ziel, negatives Feedback und daraus resultierende
Ablehnungen zu vermeiden. Ablehnung löst Angst aus. Und so versuchen
wir den Zustand der geringsten Angstempfindung zu erreichen durch
intensives Rennen nach positivem Feedback. Durch die Werte unserer
Erzieher teilten diese uns mit, was in der jeweiligen Kultur positiv
oder negativ interpretiert wurde. All unsere Ideale wurden uns auf
diese Art in unserer frühen Kindheit mitgegeben. Die Älteren unter
uns können sich noch an die Feindbilder erinnern, die damals die
Russen für den Deutschen bedeuteten. Aber nicht nur Russen, sondern
viele andere wertneutrale Bestandteile unserer Realität wurden negativ
interpretiert und zu Feindbildern gemacht.
Und so können wir eine Definition aufstellen.
Ein Feindbild ist die Interpretation des Negativen in Verbindung
mit Schädigung und Gefährdung
die mit einer Struktur verbunden wird. Strukturen sind Menschen,
deren Denkens - oder Verhaltensweisen oder auch Situationen und
Umstände.
Die Existenz eines Feindbildes in unserer Psyche löst in erster
Linie Angst aus. Unwesentlich scheint es, ob die Angst nun bewusst
gefühlt wird oder "nur" unbewusst wirkt. Die durch das
Feindbild entstandene Angst bewirkt einen Mobilisierungsprozess.
Dieser Mobilisierungsprozess verursacht Fluchtverhalten oder ein
aggressives, gegen das feindlich interpretierte Objekt gerichtetes
Verhalten.
Solange die Einschätzung eines Feindbildes in solchen Situationen
der Realität entspricht, resultiert aus dem realistischen Feindbild
ein konstruktives Flucht - oder Angriffsverhalten, das für unser
Überleben günstig erscheint. Entspricht aber unsere Einschätzung
eines scheinbaren Feindes nicht der Realität, weil dieses gar kein
Feind ist, so resultiert ein irreales Feindbild, das durch die trotzdem
ausgelöste Angst nun ein destruktives, also schädliches Flucht-
oder Angriffsverhalten auslöst. Fühlen wir also gegenüber einem
Löwen ein Feindbild, so wird das resultierende Fluchtverhalten die
Erhaltung unseres Lebens bedingen. Fühlen wir aber gegenüber einem
Polizisten, der uns auf der Straße für eine Fahrzeugkontrolle anhielt,
ein Feindbild, so bedingt unser aggressives "Was wollen Sie
denn von mir" keine konstruktive Situation. Das Feindbild Schwiegermutter
verursacht häufig, dass wir an "Dieser" kein gutes Haar
mehr lassen. Das Feindbild "der böse Nachbar" wirkt ähnlich.
Infolge unserer eigenen Feindbilder reagieren wir mit Verhaltensweisen,
die aus unseren scheinbaren Feinden bald echte Feinde machen, weil
denen gar nichts anderes übrig bleibt als unser Verhalten als aggressiv
- angreifend zu interpretieren.
Prinzipien scheinen zu sein:
Unsere Feindbilder lösen Angst aus. Sie reduzieren damit unsere
Objektivität und verursachen Aggressionen. Unsere irrealen Feindbilder
bewirken Zerstörungen. Feindbilder unserer Umwelt können unter anderem
sein: bestimmte Wettersituationen, Völker, Berufsgruppen, andere
Religionen, Sekten, die Frauen, die Männer, Kinder, der vor uns
langsam herfahrende Autofahrer und vieles andere. Unsere Feindbilder
bestehen natürlich nicht nur gegen unsere Umwelt. Innerhalb von
uns dienen unser Übergewicht, unsere Pickel, Falten, zu lange oder
zu kurze Arme, zu helle, zu dunkle oder zu wenig Haare und vieles
andere als Feindbilder.
Die polaren Gegenteile unserer Ideale stellen wieder andere Feindbilder
dar:
Aus unserem Gerechtigkeitsstreben entsteht unser Ungerechtigkeitsfeindbild.
Aus unserem Liebesideal entsteht unser Feindbild gegen das Böse.
Aus unserem Gesundheitsideal entsteht unser Feindbild gegen die
Krankheit.
Nun sind wir auch bereit, so genannte Krankheitssymptome in ein
Feindbild zu zwingen. Fieber, Schmerz, Entzündungen und viele weitere
gesunde Funktionen unseres Organismus werden feindlich betrachtet
und dadurch bekämpft.
Partnerschaftsbezug
zu Ideal, Identifikation und Feindbild
Worin
schädigen wir nun uns und unsere Partnerschaften durch unsere Identifikationen
mit Idealen oder kulturspezifischen Rollen? Und was hat das alles
mit Feindbildern zu tun? Versuchen wir wieder, unsere psychische
Struktur in ihre verschiedenen Komponenten zu zerlegen. Betrachten
wir zunächst den biologischen Teil. Dieser Teil ist uns angeboren.
Er hat in erster Linie zur Aufgabe, die Lebensfähigkeit zu erhalten.
In Lebenssituationen, in denen unsere Lebensfähigkeit gefährdet
erscheint, entsteht Angst, die ein konstruktives Flucht- oder Angriffsverhalten
auslöst, das den Zweck hat, die Lebensfähigkeit zu erhalten. Diese
angeborene Struktur unserer Psyche kann nur ein Feindbild gegenüber
Realitätsanteilen aufbauen, die einen realen Gefahrencharakter besitzen.
Die zweite Aufgabe des primärbiologischen Wertsystems ist, natürlich
nur, solange keine Gefahren für unsere Lebensfähigkeit drohen, unsere
Lustbefriedigung zu erreichen und zu erhalten.
Betrachten wir als nächstes den uns anerzogenen Fremdwertteil unserer
Psyche.
Fremdwerte sind kulturspezifische Konstrukte. Diese Konstrukte
werden im Verlauf unserer Erziehung durch den Prozess der Introjektion
in uns übertragen. Nachdem eine Introjektion bezüglich eines Wertes
abgeschlossen ist, sind wir der Meinung, es handle sich um unseren
eigenen Wert. Und jeder Wert in einer Psyche, der angegriffen erscheint
löst Angst aus. Sobald uns jedoch ein anerzogenes Ideal oder eine
der uns anerzogenen Rollen, mit denen wir uns identifizieren, angegriffen
erscheint, entsteht eine Angst, die meist ein destruktives Aggressionsverhalten
oder seltener ein Resignationsverhalten nach sich zieht. Haben wir
eine der Aufgaben, die in unseren Idealen oder Rollen stecken nicht
oder ungenügend erfüllt, so entsteht in uns die alt bekannte Schuldempfindung.
Sobald wir uns zum Beispiel mit der Rolle des Deutschen identifizieren,
müssen wir uns angegriffen fühlen, sobald die Sprache auf unsere
NS-Vergangenheit kommt. Identifizieren wir uns mit einem Fußball
- oder Eishockeyverein, so sind oft die sportlichen Gegner für den
Fan die verabscheuungswürdigsten Feinde, die er kennt. Identifizieren
wir uns mit einer Automarke, so sind Verkehrsteilnehmer, die andere
Autos fahren sowieso nicht für voll zu nehmen. Ein anderer Fahrstil,
als der, der zu unserer Karosse passt, wird mit geringschätzigem
Blick, Beschimpfungen oder Anzeigen beantwortet. Identifizieren
wir uns mit der Rolle als Mann, so fühlen wir uns angegriffen, durch
den Blick einer Frau auf unsere 2 Kilogramm Übergewicht, die sich
zu allem Überfluss auch noch nur in der Zone um unseren Bauch angesammelt
haben. In diesen und unzähligen anderen Situationen fühlen wir uns
selbst angegriffen, und erkennen nicht, dass wir nur einen Angriff
gegen unsere Rollen interpretierten. Sobald wir uns jedoch mit der
Rolle identifizieren, entsteht Angst in uns, sobald wir sie als
angegriffen empfinden. Und diese Angst wird nun einen schädlichen
Schutzversuch gegenüber dem angegriffenen Wert, also der Rolle auslösen.
Natürlich ist dieser Schutzversuch von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Denn der scheinbare Angriff lag in der Vergangenheit und war noch
dazu nur verbaler Natur. Wo also sollte noch etwas zu schützen sein?
Das einzige, was uns noch übrig bleibt, ist, einen massiven Gegenangriff,
gegen den scheinbaren Angreifer zu führen um dem mitzuteilen, dass
jegliche Angriffe seinerseits mit seinem Leid enden würden. Sagt
jemand zum Beispiel zu uns, wir seien Blöd, so ist der Angriff durch
seine Äußerung bereits geschehen und liegt damit in der Vergangenheit.
Wir können also den angegriffenen Wert nicht mehr verteidigen. Aufgrund
dessen beschränken wir uns auf den Gegenangriff und traktieren den
Anderen mit wüstesten Schimpfworten, um dem Anderen mitzuteilen,
er oder sie möge besser gar nicht mehr an weitere Angriffe denken.
In solchen Situationen können wir also kaum mehr auf einen Inhalt
der Aussage eingehen, sondern wir gehen sofort in den Gegenangriff
gegen den scheinbaren Aggressor über. Nun sagen sie möglicherweise:
"Wieso scheinbarer Aggressor? Der ist doch ein Aggressor!"
Versuchen wir mal, unsere eigenen Emotionen in solchen Situationen
zu analysieren.
Sie kommen gestresst in der Folge eines anstrengenden Tages nach
hause. Sie hätten gern etwas konstruktiven Zuspruch von der Seite
ihres Partners, der es jedoch vorzieht, einen langweiligen Spielfilm
im Fernsehen zu verfolgen. Sie fühlen sich nun um ihr Recht als
Partner auf Anteilnahme betrogen. Letzten Dienstag, als es ihrem
Partner schlecht ging hatten sie auch Zeit gefunden, sich ihm ein
Stündchen zu widmen. Und heute, wo es ihnen nicht gut geht ist niemand
für sie da. Zwangsläufig fühlen sie sich nun als Opfer, weil ihre
legitimen Bedürfnisse nicht erfüllt wurden. Einer ihrer Werte, aus
dem sich eine Erwartungshaltung entwickelte wurde nicht respektiert.
Und das löst natürlich Frustrationen und daraus entstehende Aggressionen
aus. Sie der sie sich eigentlich als ein Opfer ihres Partners durch
Missachtung fühlen werden nun für den Partner zu einem Aggressor.
Die Art, wie sie ihrem Frust Luft machen, kann von ihm kaum anders
betrachtet werden. Für ihn ist es nun völlig unklar, warum sie mit
ihm nach der Beendigung seines Spielfilms kein Wort mehr reden und
ihm nur kühlste Blicke zuwerfen. Aufgrund ihres Verhaltens wurden
sie nun für ihn zu einem Aggressor und er wird ihnen gegenüber ein
Feindbild aufbauen. Natürlich wird nun wieder ihr Partner seinerseits
ein Verteidigungsverhalten aufbauen gegen den scheinbaren Aggressor,
der eigentlich nichts anderes als ein Opfer ist. Wo immer wir ein
irreales Feindbild innerhalb unserer Psyche haben, werden wir es
sein die die ersten Steine werfen. Wir sind dann auch die, die sich
beklagen über die scheinbaren destruktiven Reaktionen Anderer, die
wir durch unser Steine - werfen jedoch ausgelöst haben.
Durch unser Feindbild haben wir Andere zum Opfer gemacht, das wir
nun als Aggressor betrachten, weil sich dieser Andere wehrt. Nun
betrachten wir uns als die armen angegriffenen Opfer der feindlich
interpretierten Reaktionen Anderer. Alle bekannten Kriege oder Familienzwiste
verliefen nach dem selben Muster einer Feindinterpretation. Bei
genauerer Betrachtung jedoch gab und gibt es immer nur Opfer. Das
Recht auf Verteidigung billigen wir uns und anderen immer zu, sobald
wir eine Verteidigung erkennen. Das Recht auf Aggression billigen
wir jedoch niemandem zu.
Ganz kurz gesagt versuche ich mit diesen Worten zu verdeutlichen,
dass es keine Aggressoren, sondern nur Opfer gibt. Wir erkennen nur
bei den meisten Aggressoren die Opferstruktur nicht.
Lernen wir also, innerhalb all unserer Negativinterpretationen
Aufträge zu sehen, die Realität so verstehen zu lernen wie sie zu
sein scheint.
Neutral !!!!
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