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Partnerschaft 2
Gewalt
Die
meisten von uns werden wohl Gewalt als etwas schädliches, negatives
oder destruktives betrachten. Vielleicht empfinden wir "Gewalt"
sogar als das Schädlichste, Negativste oder Destruktivste innerhalb
der uns bekannten Realität. Wenn wir uns jedoch schon einmal mit
der Definition des Wortes "Gewalt" konfrontiert haben,
so bemerken wir zum einen, dass es uns gar nicht so leicht fällt,
"Gewalt" zu definieren. Zum zweiten fällt uns möglicherweise
an uns selbst auf, dass wir, je mehr wir uns mit der Definition der
"Gewalt" befassen, umso mehr erkennen, dass wir gar nicht
so wenig von dem im Kopf haben, was wir als "Gewalt" interpretieren.
Wie kommt es nun, dass wir so behaftet sind mit etwas, was wir doch
als so negativ empfinden. Mir scheint, dass wenn wir "Gewalt"
in uns lösen wollen, wir uns mit den Hintergründen der Gewalt konfrontieren
müssen. Unser Verständnis zum Thema "Gewalt" dürfte wohl
der beste Schlüssel zur Lösung sein. Darum befassen wir uns nun
mit den Ursachen, Formen, Folgen, und Lösungsmöglichkeiten der "Gewalt".
Die Voraussetzung für jegliche Art von Gewalt ist eine Probleminterpretation
auf der Basis der uns anerzogenen Werte. Mit den uns anerzogenen
Werten wurden uns auch eine Menge von Rollen anerzogen. Die Rollen
von den Männern, Frauen, Papas, Mamas, Lehrern, Kindern, Schwestern,
Brüdern, Polizisten, Chefs, Angestellten und so weiter enthielten
natürlich auch die Zuständigkeitsbereiche, in denen geregelt wurde,
wem welche Pflichten oblagen, und wer welche Legitimationen hatte.
In unseren kindlichen Spielen lernten wir, diese Rollen in uns einzuprägen.
Schon damals hatten wir meist ein Bestreben, die Rollen derer zu
spielen, mit denen wir uns am ehesten identifizierten. Mit dem Spiel
der Rollen verbanden wir natürlich auch deren Legitimationen, Machtbereiche
und Rechte, die wir schon damals verwendeten, um unsere damaligen
"Kinder, Haustiere, Untergebenen, oder Frauen" so zu behandeln,
wie es uns doch in der Rolle des Mannes, Papas, Polizisten, Kapitäns
oder Chefs zustand. Wurden unsere damaligen Erwartungen, die in
Form von Legitimationen in unsere Rollen integriert waren nicht
erfüllt, so setzten wir schon damals unsere rollenbedingten Rechte
mithilfe der rollenbedingten Legitimationen ein, um das zu erreichen,
was uns doch wohl rollenbedingt zustand. "Ich bin jetzt der
Polizist und deshalb wirst Du das tun, was ich Dir befehle, verstanden?"
Schon damals, allerdings noch im Spiel unterdrückten wir andere
Individuen und kämpften gegen Realitätsaspekte auf der Basis der
uns anerzogenen Rollen. Wir erhielten kulturspezifische Informationen
über die "Bösen" und die "Guten". Wir bauten
unsere ersten Feindbilder auf, Gangster, die Indianer, Juden, Neger,
Zigeuner, Andersgläubige, Russen, vieles diente als Feindbild. Und
somit nicht nur als Gewaltlegitimation, sondern als ruhm- und ehreinbringender
positiv interpretierter Gewaltauftrag, den zu erfüllen uns viel
positives Feedback einbrachte. Hier liegen einige, der Wurzeln unseres
heutigen Rassismus. Je nach Ort und Zeit, wo und wann wir in eine
bestimmte Kultur hineingeboren wurden erhielten wir bestimmte Werte
anerzogen, deren integrierte Rollen wir durch das Spiel erlernten.
Wir lernten, uns mit den Rollen zu identifizieren und benutzen robotisch,
stereotyp unsere scheinbaren "Rechte" heute noch, um gegen
andere negativ interpretierte Individuen oder Realitätsaspekte unterdrückende
Maßnahmen durch rollenbedingte Legitimationen zu billigen und zu
praktizieren.
Einige Beispiele :
Aufgrund unserer anerzogenen Werte als Erzieher sehen wir ein Problem
im negativ interpretierten Nasenbohren unseres Kindes. Lösbar erscheint
uns dieses "Problem" durch eine Aktivität, in dessen Verlauf
wir mit unserer großen Hand auf die kleinen Finger eines anderen
schlagen, die in der Nase eines anderen gebohrt haben. Je nach Kultur,
in der wir aufwachsen, betrachten wir es als ein großes Problem,
und fühlen wir uns nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet
eine negativ interpretierte fremdgehende Frau zu verstoßen oder
sie sogar zu töten. Je nach unserem Rang und oder Namen betrachten
wir es als ein großes Problem nicht mit der gebührenden Ehrerbietung
behandelt zu werden, und fühlen wir uns nicht nur berechtigt, sondern
sogar verpflichtet, kulturspezifisch legitimiert, aber oft gewaltvoll
unsere Ehre wiederherzustellen Wir glauben in all diesen Situationen,
dieses Verhalten steht uns nicht nur zu, sondern wir haben sogar
die Pflicht, uns so zu verhalten, zum scheinbaren Wohl des anderen.
Durch anerzogene Werte ermessen wir uns also Rechte oder sogar Pflichten
zu, die zu Verhaltensweisen führen, die wir wohl Gewalt nennen müssen.
Ein Oberbegriff für die uns anerzogenen "Rollen" sind
"Normen". Normen können nur innerhalb der uns anerzogenen
polaren Denkweise existieren. Ideale sind in den jeweiligen Normen
einer bestimmten Kultur die Maxima des positiv Interpretierten.
So, wie es in jeder, mir bekannten Kultur positiv interpretiertes
gibt, existieren natürlich auch negativ interpretierte Realitätsanteile.
Der Vorgang, durch den erreicht wird, dass wir einen Fremdwert als
eigenen Wert empfinden, nennen wir die Introjektion. Einige Worte
zur Erklärung: Biologisch empfinden wir das Nasenbohren wohl nicht
als negativ, sondern als einen Vorgang, durch den wir in der Lage
sind, selbständig mithilfe eines eigenen Fingers einen als störend
empfundenen Gegenstand mit geringst möglichem Aufwand aus unserer
eigenen Nase zu entfernen. Nachdem die Umwelt in Form unserer Eltern
unser Nasenbohren wohl meist als negativ bewertet, wird diese Umwelt
uns dieses negativ empfundene Verhalten durch verschiedene Gewalten
austreiben oder es zumindest versuchen. Haben unsere Eltern in der
Folge unseres Nasenbohrens lange genug auf unsere Finger oder Nasen
eingeschlagen oder wurden wir mit Liebesentzug, Schlafen müssen,
Schimpfen oder ähnlichem bestraft, so entwickelte sich in uns in
Verbindung mit dem Nasenbohren eine negative Assoziation. Diese
negative Assoziation mit dem Nasenbohren ließ uns irgendwann das
Nasenbohren als negativ empfinden. Nun war die negative Bewertung
des Nasenbohrens in uns. Der Vorgang der Introjektion war in diesem
Bezug abgeschlossen. In anderen Bereichen verlief es ähnlich. Auf
einen Nenner gebracht : Uns wurden mit viel Gewalt Fremdwerte aufgedrängt,
durch deren Anwesenheit wir uns Vergewaltigen, Dinge "scheinbar"
für andere zu tun, um Rechte zu erhalten, denen wir, dann "scheinbar"
legitim, wieder mit Gewalt zur Erfüllung verhelfen.
Die biologischen Werte, die bei Mensch oder Tier im Moment der
Geburt bestehen, sind auf Lebensfähigkeit und Lustbefriedigung orientiert.
Diese Werte bedingen vorwiegend den größten Nutzen für das Individuum
(Nicht den Schaden von Realitätsanteilen ). Da Sie linear die Lebensfähigkeit
und Lustbefriedigung bejahen, verneinen Sie nichts.
Die Verneinung jedoch scheint die Basis der Gewalt zu sein. Fremdwerte
bedingen polares Denken. Dieses bedingt als Folgezwangsläufigkeit
das Gegenteiligkeitsdenken. Ja-Nein, Weiß - Schwarz, Groß - Klein, Heiß - Kalt,
Gut - Böse, ... . Erst durch das polare "Ja" entsteht also
das "Nein" als Gewaltbasis. Jede Verneinung erscheint
mir anerzogen. Beginnend mit der Verneinung des Nasenbohrens, über
das Lügen, der Sexualität, der Anormalität, des Egoismus, bis zur
Gewalt selbst. Diese und andere von manchen negativ interpretierten
Realitätsanteile bedingen unsere Versuche, dagegen unterdrückend
tätig zu werden. Jetzt sehen wir im Nasenbohren, im Lügen, in der
Sexualität, im Anormalen, im Bösen, in der Gewalt ein Problem, gegen
das man im Rahmen einer Unterdrückung angehen muss, um es, zumindest
scheinbar, zu lösen . Versuchen wir diese oft negativ interpretierten
Dinge oder deren Hintergründe besser zu verstehen, erkennen wir,
dass es sich dabei entweder um sehr biologische Verhaltensweisen
oder um Widerstände (also Schutzmechanismen) gegen Vergewaltigungsinterpretationen
aller Art handelt. Wir lernen also die Gewalt schon als sehr kleine
Kinder durch unsere Erzieher kennen. Genauso, wie unsere Eltern
sind wir erfolgsorientiert. In unserer kindlichen Umwelt sehen wir,
bereits anerzogen, Problembereiche, die durch die Anwendung von
Gewalt, mindestens kurzfristig, lösbar erscheinen.
Beispiel: Mein Freund Franzl baut eine völlig "falsche"
Sandburg. Nach einigen Ohrfeigen baut er die "richtige"
Sandburg. Fazit: Durch Gewalt "funktioniert" der Franzl
besser. Die Gewalt "funktioniert" also als scheinbarer
Problemlösungsmechanismus. Dass der Franzl inzwischen nicht mehr
mit mir Sandburgen baut und auch sonst nichts mehr mit mir unternimmt,
bringe ich mit meiner Gewalt von früher oft nicht in Verbindung.
Aufgrund seiner ihm anerzogenen Werte sieht der Gewaltanwendende
ein Problem, das nur durch eine Aktivität GEGEN den Problemauslöser
im Rahmen einer UNTERDRÜCKUNG lösbar erscheint. Die Gewalt erscheint
also als ein PROBLEMLÖSUNGSMECHANISMUS, der durch FREMDWERTE bedingte
Denkens- und oder Verhaltensweisen nach sich zieht, die GEGEN REALITÄTSASPEKTE
also Menschen, Situationen, Dinge u.s.w. im Rahmen einer UNTERDRÜCKUNG
gerichtet sind. Die beiden Schlüsselworte, um die es geht, sind:
GEGEN und UNTERDRÜCKUNG. Und nun zu einigen Formen der Gewalt. Wenden
wir uns zuerst der Gewalt zu, die uns am auffälligsten erscheint
und der wir bewusst am häufigsten begegnen. Der körperlichen Gewalt.
Mit dieser und der psychischen Gewaltform sind wir in unserer Kindheit
in erster Linie manipuliert worden. Die "schlagenden"
Argumente unserer Erzieher waren meist unsere ersten gewaltbezogenen
Erfahrungen innerhalb unseres Lebens. Wir waren damals die Opfer
und erlernten dadurch unsererseits den scheinbaren Nutzen der Gewalt.
Die psychische Gewalt wurde von unserer Umwelt, meist unseren Erziehern,
aus den selben Gründen und mit den selben Zielen eingesetzt, wie
die körperliche Gewalt. Die psychische Gewalt erschien nur humaner
als die körperliche Gewalt. Außerdem war sie effizienter. Sobald
wir als Kinder einmal einen Fremdwert introijziert hatten, verursachte
eine Missachtung des Normenwertes eine Schuldempfindung in uns, die
durch schuldproijzierende Vorwürfe unserer Umwelt unser Handeln
dauerhafter beeinflussten, als wenn wir immer wieder verhaut worden
wären. Vermutlich hinterließ jedoch diese Form der Gewalt in uns
auch die meisten und dauerhaftesten Schäden. Die Schuldempfindung,
in unserer Kindheit durch Vorwürfe in uns eingepflanzt, gleichend
einem Samen, der in die Erde gepflanzt wurde, hat sich häufig zu
einem Schuld - Urwald in uns entwickelt. Dieser Schuldempfindungsurwald
lässt uns heute oft kaum ein glückliches Leben leben. Wir wurden
zu Marionetten der Umwelt, mit unseren abhängigkeitsförderlichen
Schuldempfindungen. Mir erscheint diese Gewaltform also keineswegs
weniger destruktiv als die körperliche Gewalt. Die Gruppengewalt
wird erst durch eine Identifikation mit Gruppen möglich. Nach dem
Identifikationsprozess ist es ein Leichtes, ein Feindbild in uns
zu erzeugen. Nach der Entstehung eines Feindbildes ist es nur noch
eine Frage der Zeit, bis in uns das Motiv entsteht, den Feind in
allen möglichen Bereichen zu schädigen, ihn zu frustrieren, so gut
es geht. Je nach der Intensität der Feindesinterpretation schrecken
wir auch vor der Tötung des Feindes oder seiner Angehörigen nicht
zurück. Beste Beispiele sind die Kriege, in denen die Tötung der
Feinde, also auch Menschen, nicht nur erlaubt, sondern erwünscht
ist. Das Morden des Menschen, der der "bösen" Gruppe angehört
wird mit Orden, positivem Feedback, Ruhm, Ehre und Machtbefugnissen
belohnt. Dieses Gewaltbeispiel zeigt wohl am auffälligsten, wie
wir Menschen uns zu manipulierbaren Robotern degradieren lassen,
die die Gewaltaufträge der Umwelt erfüllen, sobald die Gewaltbasis
in uns geschaffen wurde. Die Introjektion der Fremdwerte durch die
Erziehung war der erste Schritt. Daraus resultierte die Negativinterpretation
gegenüber eigentlich wertneutralen Realitätsanteilen. Die Gruppenidentifikation
war der nächste Schritt. Dann das Feindbild. Und los ging es mit
der Gewalt. Alles was dabei auf der Strecke blieb, war unsere eigene
Identität. Aber das erscheint uns allen wohl als das Wichtigste
an uns Menschen.
Kommen wir nun zu den Folgen der Gewalt.
Die destruktivste Gewaltfolge scheint mir der Verlust der biologischen
Identität zu sein. Wie bereits besprochen wurde uns in unserer Kindheit
ein zweites, kulturspezifisches Wertsystem, also Fremdwerte, zu
unserem angeborenen, biologischen Wertsystem dazu erzogen. Diese
Übertragung von Fremdwerten bedingt die Zwangsläufigkeit von Konflikten.
Konflikte sind Spannungszustände zwischen 2 oder mehr zwangsläufig
verbundenen Werten oder Strukturen aufgrund des Verlangens nach
unterschiedlichen Zielen, Sachen oder Idealen. Wir alle kennen Konflikte
in uns. Wäre es nicht ein paradiesisches Leben, wenn wir nur ein
Wertsystem und damit eine innere Konfliktfreiheit in uns hätten?
Unsere angeborenen "biologischen Werte" haben in erster
Linie zum Ziel, die Lebensfähigkeit zu erhalten oder sie zu intensivieren.
Solange unsere Lebensfähigkeit nicht gefährdet erscheint, besteht
die Zielsetzung der biologischen Werte darin, den Zustand der Zufriedenheit
durch die Lustbefriedigung zu erreichen. Dieses Wertsystem sagt
"JA" zum Leben, zu Partnerschaft und Liebe und bedingt
keine Konflikte in uns! Die uns anerzogenen Fremdwerte haben zum
Ziel, den Zustand der geringsten Ablehnungs- oder Verlustangst,
durch praktiziertes Normenverhalten, mit der Zielsetzung auf möglichst
viel positives Feedback und mit Vermeidung von negativem Feedback,
zu erreichen. Dieses Fremdwertsystem ist ein reines Angstvermeidungssystem.
Aufgrund seiner Existenz in unserer Psyche sind destruktive Konflikte
vorherbestimmt. Dieses Wertsystem bedingt Gewalt und behindert somit
das Leben, die Partnerschaft- und Liebesfähigkeit immens. Wie besprochen
ist die Verneinung von Realitätsanteilen erst nach der Introjektion
von Fremdwerten möglich. Sobald diese verneinenden, also Negativemotionen
auslösenden Werte in unserer Psyche existent sind, werden wir zwangsläufig
tagtäglich immer wieder mit negativ interpretieren Realitätsanteilen
konfrontiert. Genauso zwangsläufig produzieren wir dadurch tagtäglich
immer wieder jede Menge Frustrationen in uns und folglich auch in
unserer Umwelt. Sind wir bei unseren Frustrationen und Negativemotionen,
so liegt gleich um die Ecke die Psychosomatik. Die Psychosomatik
befasst sich mit den Krankheiten, die in der Folge unserer Frustrationen
und Negativemotionen entstehen. Meiner Erfahrung entsprechend sind
die weitaus meisten Krankheiten, mit denen wir Therapeuten zu tun
haben, psychosomatisch bedingt. Zum Thema Psychosomatik jedoch ausführlicher
ein andermal. Eine andere Gewaltfolge ist die Distanz und der Widerstand,
den Menschen unserer Umwelt gegen uns, in Folge unserer Gewalten
aufbauen müssen. Gewissermaßen produzieren wir durch unsere Gewalten
Mauern zwischen uns und den Menschen um uns. Wundern wir uns dann
wirklich noch über deren Frustrationen, Widerstand, Abneigung und
Ablehnung uns gegenüber? Je mehr wir versuchen Gewaltfolgen zu finden,
umso mehr finden wir die Charakteristik wie bei einem Eisberg vor,
bei dem ja auch nur ein kleiner Teil als direkt sichtbarer Teil
aus der Wasseroberfläche herausragt. Das letzte Thema, "Lösungsmöglichkeiten
der Gewalt" ist kurz besprochen aber nicht leicht zu erreichen.
Sobald wir als den Hintergrund unserer Gewalt die Anerziehung eines
zweiten Wertsystems und seine Folgen innerhalb unseres Denkens erkennen,
sagen wir uns: "Aber ich kann doch meine Erziehung nicht rückgängig
machen!" Das stimmt, wir scheinen nicht in der Lage zu sein, Abläufe der
Vergangenheit rückgängig zu machen. Wir sind jedoch in der Lage,
die Entstehung, die Ziele, die Wirkung und die Folgen unserer beiden
Wertsysteme wieder besser verstehen zu lernen. Unsere Kenntnis und
unser Verstehen wird für den Rest sorgen.
Sein
oder Haben?
Was
für uns Menschen zählt, scheinen unsere Gefühle zu sein.
Das Fühlen mit unseren Hautsinnen.
Das Schmecken durch unsere Geschmacksrezeptoren.
Das Hören mithilfe unseres Akustikapparates.
Das Sehen mittels unseres optischen Systems.
Das Riechen durch unser Geruchsorgan.
Die Neugierde, das Spiel, die Liebe oder Harmonieempfindung.
All diese Befriedigungsbereiche existieren im Sein und benötigen
biologisch weder das Haben noch den Besitz. Unsere Erfahrungen im
Verlauf unserer Kindheit haben uns jedoch etwas gänzlich anderes
gelehrt.
Stellen sie sich vor, in einem Sandkasten zu spielen. Mit ihren
Händen buddeln sie ein Loch in den Sand. Neben sich sehen Sie ein
Schaufelchen liegen, das ihnen als besseres Werkzeug als ihre eignen
Finger erscheint. Kurz entschlossen verwenden sie es, um ihr Vorhaben
des Lochbuddelns besser erfüllen zu können. Nicht lange haben Sie
sich aber des Schaufelchens bedienen können, als eine große Hand
es aus ihrer kleinen Hand nimmt und ein großer Mund mit tiefer Stimme
zu ihnen drohend spricht: "Laß das Schaufelchen gehen, es gehört
nicht Dir, es gehört meinem Franzl!" Machtlos und Verständnislos
sehen sie zu, wie ihnen das Mittel zum Zweck des Lochbohrens weggenommen
wird. Nachdem sie noch sehr klein sind ist ihnen der Ausdruck: "Das
gehört nicht Dir" noch total unbekannt. Warum wurde ihnen dieses
dienliche Spielzeug, das sie nicht zerstören, sondern nur benutzen
wollten denn nun weggenommen? Wie gesagt ist "Besitz"
für sie noch unverständlich. Aber nachdem ihnen immer öfter Spielzeuge
weggenommen werden, die "ihnen nicht gehören" werden sie
bald mit diesem Ausdruck "das gehört Dir nicht" eine Frustration
verbinden. Irgendwann haben sie einen ihrer ersten Geburtstage und
bekommen einige Dinge geschenkt. Man sagt: "Das gehört jetzt
Dir". Auch mit diesem Begriff können sie anfangs wenig anfangen.
Aber immer mehr kristallisiert es sich heraus, dass mit Dingen, "die
ihnen gehören" eine Dauerhaftigkeit der Befriedigung verbunden
ist. Hingegen werden ihnen Dinge, die ihnen nicht gehören weggenommen,
sobald die Umwelt mitkriegt, dass sie diese Dinge benutzen. Und auf
diese Art erkennen wir irgendwann, dass Besitz eine Voraussetzung
für die Nutzung vieler Gegenstände darstellt. Freilich ist die Nutzung
unserer Eigentümer nicht immer unserem eigenen Willen unterworfen,
weil wir schon mal bestraft wurden mit dem Entzug "unserer"
Gegenstände, wenn wir nicht lieb genug waren. Biologisch scheint
die Zahl und Verfügbarkeit der Gegenstände durch die wir uns im
Rahmen von Fühlen, Schmecken, Hören, Sehen, Riechen, der Neugierde,
dem Spiel, der Liebes- oder Harmonieempfindung befriedigen nicht
eingeschränkt zu sein. Warum sollten wir Dinge besitzen müssen,
um uns mit ihnen zu befriedigen? Es gibt doch genügend Steine, Äste,
Stöcke, Blätter, Bäche, also Spielsachen für alle, die Lust zum
Spielen empfinden. Biologisch ja, aber innerhalb unserer Kultur
läuft das nicht mehr so. Mehr und mehr wurde der Besitz eines Gegenstandes
die Voraussetzung für seine Nutzung. Und so wurde Besitz für uns
so wichtig. Biologisch zählt wohl für uns nur das Gefühl. Und das
existiert im Sein, nicht im Haben. Wenn aber das Haben eine Voraussetzung
für die dauerhafte Befriedigung ist, so können wir nicht anders,
als die beiden völlig unterschiedlichen Aspekte miteinander zu assoziieren.
Als erstes verbinden wir diese beiden Dinge untrennbar mit einander
und als zweites verwechseln wir dann diese miteinander. Ein biologisches
Hauptziel scheint die Befriedigung zu sein. Also sind Gegenstände
ein Mittel zum Ziel der Befriedigung. Dummerweise werden durch unser
assoziatives Denken Gegenstände, die eigentlich nur Mittel zum Ziel
waren, zum Ziel selbst. Da haben wir schon wieder einen Nachteil,
unseres sonst so dienlichen assoziativen Denkens. Geld zum Beispiel
war nur ein Mittel zum Ziel des Genusses von Süßigkeiten. Die 5
Euro, die wir von unseren Tanten oder Onkeln geschenkt bekamen wurden
sofort in direkt Befriedigungs- auslösende Gegenstände umgewandelt,
indem wir diese damit kauften. Nicht die 5 Euro waren uns wichtig,
sondern der Befriedigungswert. Irgendwann wurden wir jedoch auch
mit Geld belohnt, sobald wir etwas Geld sparten. Und nun erkannten
wir, dass Besitz und Besitzdemonstration ein Mittel zum Ziel des
Gelderwerbes waren. Und mit dem neuen Geld könnten wir uns ja schließlich
viele schöne Dinge kaufen, die Ansehen, Ruhm, Macht und damit viel
positives Feedback auslösten. Auf diese Art wurden Gegenstände,
Geld, Macht, Ansehen und Ruhm zum Ziel und verloren somit den Zweck,
Mittel zum Ziel der biologischen Befriedigung zu sein. Nun leben
wir in einer Situation, in der das oberste Ziel nicht mehr das Sein,
sondern das Haben wurde. Zum Beispiel vermittelt uns das Essen eines
Wiener Schnitzels Kalorien, die unser Organismus zu seiner Existenz
benötigt. Unsere biologischen Lustbefriedigungsmechanismen machen
auf psychischer Ebene das selbe. Assoziierte, also keine echten
sondern nur interpretierte Lustbefriedigungsmechanismen verursachen
keine Zufuhr von psychischen Energien. Dieser Vorgang ist zu vergleichen
mit einem Wiener Schnitzel, das riecht und schmeckt wie ein Wiener
Schnitzel, das aber keine Kalorien, Vitamine und Spurenelemente
enthält. Nach dem Pseudogenuss eines solchen Wiener Schnitzels sind
wir zwar voll und verwechseln den Zustand damit, befriedigt, voll
oder satt zu sein aber unser Verdauungssystem ist nur damit beschäftigt
diesen nutzlosen Ballast durch zu schleusen. Natürlich verlieren
wir beim Fressen der Konsumgüter nur jede Menge Energie, gewinnen
aber real gar nichts. Wir und die Umwelt wundern uns darüber, dass
wir es doch eigentlich so weit gebracht haben und doch so leer,
saft- und kraftlos sind. Wie konnte das geschehen? Wir haben den
Sirenen der Kultur geglaubt und sind ihnen auf ihrem Weg in Richtung
des Habens- oder Konsumparadieses gefolgt. Die Angst, nicht mithalten
zu können, versagt zu haben, verächtlich beachtet zu werden brachte
uns zu immer neuen Bereitschaften und Anstrengungen, uns selbst
wieder aufs neue zu vergewaltigen, die Leistungsdaumenschraube noch
etwas weiter anzuziehen. Im selben Verhältnis, wie Besitz, Macht,
Geld u.s.w. zunahmen, nahm unsere Lebensenergie ab. Wo immer das
"Haben wollen" unser "Sein" verdrängt hat besteht
für uns keine biologische Befriedigungsmöglickeit mehr. Immer noch
assoziieren wir den Besitz von Gegenständen, Geld, Macht und Ruhm
als befriedigend und werden immer schwächer, depressiver und unausgefüllter.
Auch unsere Partner sind für uns biologisch Mittel zum Ziel eines
erfüllten und ausgefüllten Lebens. Inwieweit sehen wir unsere Partner
im liebenden Sein? Und wie intensiv wurde das Besitzvirus im Rahmen
unserer Erziehung in uns Implantiert, mit dem wir nun unsere Partnerschaften
verätzen? Einer der Schäden unseres Besitzenwollens scheint der
Handel zu sein. Der Inhalt des Handels scheint darin zu liegen,
Gegenstände oder Strukturen geringeren Wertes dem Handelspartner
zu "geben", um Gegenstände oder Strukturen höheren Wertes
zu bekommen. Und was "geben" wir im Rahmen unserer zur
Handelsorganisation degradierten Partnerschaft nicht alles, und
für welche "Gegenwerte"? Das Dumme an dieser "Handelsorganisation
Partnerschaft" ist, dass wir innerhalb der uns als Kinder anerzogenen
Rollen ein ganz eigenes Pflichten- und Rechtesystem aufgebraten
bekamen. Dieses Pflichten- und Rechtesystem des Einzelnen unterscheidet
sich sehr oft vom Pflichten- und Rechtesystem des Partners. Dieses
Handelsdenken führt zu Investitionen in Verbindung mit Erwartung
auf ganz bestimmte Gegenwerte. Und häufig denkt der Partner gar
nicht daran, den durch die Investition erhofften Gegenwert zu "bezahlen".
Dann ist Frustration und Aggression angesagt. Wir alle kennen die
Strafen, mit denen wir manipulieren, wenn unsere Partner nicht die
von uns erwarteten Gegenleistungen erbringen. Und wir alle kennen
die Strafen, die wir erdulden müssen, wenn wir unsererseits die
erwarteten Gegenleistungen unserer Partner nicht erfüllen. In diesem
Zusammenhang ist das Wort Fixation von Bedeutung. Die Fixation erscheint
als eine Verlustangst bedingte Abhängigkeit, die immer größer wird,
je mehr investiert wurde. Wie bei einem Geschäft, in das wir investiert
haben, so steigt auch hier unsere Verlustangst, je mehr wir in das
Geschäft investiert haben. Und dieses unter Umständen so weit, bis
wir in einem Zustand der Hörigkeit existieren, weil uns der besitzorientierte
Erhalt der Partnerschaft wichtiger geworden ist, als wir uns selbst
sind. Wütend aber hilflos über unsere Abhängigkeit projizieren wir
unsere ganzen Aggressionen auf unseren Partner, dem wir durch unser
Verhalten nur noch mehr als ein Dorn im Auge seines Lebens erscheinen.
Durch unser "Besitzenwollen" vergewaltigen wir also in
erster Linie uns selbst. Wir investieren, um scheinbar legitim Gewalten
anwenden zu können, durch die wir die Gegenwerte unsere Investitionen
einfordern können. Und all das mit viel, viel Gewalt.
Sexualität
Sexualität
erscheint mir als ein biologisch bedingtes Bedürfnis vieler Lebewesen
auf körperliche Kontakte zum anderen Geschlecht mit dem Ziel des,
im Dienste des Rassenerhalts stehenden, Geschlechtsverkehrs. In
unserer Vergangenheit geschah eine Übertragung kulturspezifischer
Werte auf uns. Diese Werte, nennen wir sie "Fremdwerte"
unterscheiden sich in wesentlichen Punkten von unseren eigenen,
"biologischen Werten", mit denen wir geboren wurden. Unsere
angeborenen "biologischen Werte" haben in erster Linie
zum Ziel, die Lebensfähigkeit zu erhalten oder sie zu intensivieren.
Solange unsere Lebensfähigkeit nicht gefährdet erscheint, besteht
die Zielsetzung der biologischen Werte darin, den Zustand der Zufriedenheit
durch die Lustbefriedigung zu erreichen. Diese Zufriedenheit erreichen
wir durch die Erfüllung folgender biologischer Lustbereiche :
1. Das Fühlen mit unseren Hautsinnen.
2. Das Schmecken durch unsere Geschmacksrezeptoren.
3. Das Hören mithilfe unseres Akustikapparates.
4. Das Sehen mittels unseres optischen Systems.
5. Das Riechen durch unser Geruchsorgan.
6. Die Neugierde.
Eine weitere Form der Zufriedenheit erreichen wir durch die Empfindung
von Harmonie, Einssein, Zusammengehörigkeit oder Liebe. Diese Worte
haben wohl viele Parallelen. Mittler zu diesen Gefühlen sind oft
die Rhythmik bei Gesang und Tanz, das Spiel, die Malerei und mehr.
Scheinbar nutzen wir verschiedene Medien, um Verbindungen und damit
Harmonie zwischen Individuen, Gruppen oder verschiedenen Strukturen,
wie Bildern, Skulpturen und uns selbst zu erreichen.
Und weil wir gerade davon sprechen, meine Definition von Liebe:
Liebe ist die Emotion von Einigkeitsempfindung und Harmonie, die
in der Folge der wertneutralen Akzeptanz entsteht.
Versuchen wir, uns an unsere Kindheit zu erinnern! Solange wir
nicht damit beschäftigt waren, unsere Lebensfähigkeit zu erhalten
oder zu intensivieren, (z.B. dadurch, dass wir auf der Flucht vor
einem Hund waren) bestand unsere Zielsetzung darin, uns im Rahmen
von Fühlen, Schmecken, Hören, Sehen, Riechen oder unserer Neugierde
zu befriedigen. Unsere biologischen Möglichkeiten erlaubten nur
Verhaltensweisen, die in der Folge der intensivsten Bejahung durch
unserer "biologischen Werte" erfolgte. Wir taten das,
was unser intensivstes Interesse bedingte. Das intensivste "JA"
wurde erfüllt. Was hätte es für Gründe zur "Verneinung"
von Realitätsanteilen geben sollen? Dinge, die heute in uns Ablehnung,
Ekel, Mitleid oder andere "VERNEINUNGEN" auslösen, waren
damals einfach "nur uninteressant". Um die Lüge, Ungerechtigkeit,
Gewalt oder ähnliches abzulehnen bedurfte es zuerst einer Erziehung
in der uns mitgeteilt wurde, dass die Lüge, Ungerechtigkeit, Gewalt
oder ähnliches negativ ist und damit abzulehnen ist. Um Ekel gegenüber
Kot, Urin, Speichel, Blut, Insekten, Schlangen und ähnlichen Dingen
zu empfinden bedurfte es zuerst einer Erziehung, in deren Verlauf
uns mitgeteilt wurde, dass Kot, Urin, Speichel, Blut, Insekten, Schlangen
und ähnliche Dinge Ekel auslösend sind. Als wir den Mamas, Papas,
Katzen und Hunden an den Haaren herumrissen, verursachte deren schmerzverzerrtes
Gesicht, deren Stöhnen, Miauen oder Jaulen auf unserem Gesicht nur
ein Grinsen. Nicht, dass wir Mamas, Papas, Katzen und Hunden durch
unser Verhalten Schmerzen verursachen wollten. Wir wollten nur spielen,
und das auch mit Fliegen, um zu sehen ob die auch mit nur einem
Flügel fliegen konnten. Wer kennt nicht unsere Taten der Vergangenheit
und die Taten anderer, die wir heute, nachdem wir durch Erziehungsprozesse
Fremdwerte übernommen haben, als grausam oder Mitleid auslösend
empfinden. Die "VERNEINUNG" von Realitätsanteilen oder
das nicht selbstschützende "NEIN" war erst die zwingende
Folge der Bewertungen durch die uns anerzogenen, kulturspezifischen
Fremdwerte. Da kein Individuum den Prozess dieses Wertaustausches
oder dieser Wertergänzung durch Fremdwerte begrüßt, den wir "ERZIEHUNG"
nennen, war es nur mit Gewalt möglich, uns diese Werte zu vermitteln,
mit denen wir nun unsererseits Gewalt praktizieren. Und diese, in
diesem Erziehungsprozess durch Strafen entstandenen Ängste bestehen
natürlich noch heute in uns weiter. Die uns anerzogenen Fremdwerte
haben zum Ziel, den Zustand der geringsten Ablehnungs- oder Verlustangst,
durch Normenverhalten mit der Zielsetzung auf möglichst viel positives
Feedback und mit Vermeidung von negativem Feedback, zu erreichen.
Mit den uns anerzogenen Normen wurde uns auch vermittelt, wer in
Verbindung mit welchen Rollen welche Rechte und wer welche Pflichten
hat. Sehr früh spielen wir mit unseren Spielen das Leben der damals
Erwachsenen nach - Papas, Mamas und der Kinder Aufgaben und Pflichten
und deren Rechte, die denen ja wohl zustanden. Heute nennen wir
das ganze zwar nicht mehr Spiel, tun aber im Wesentlichen nichts
anderes als früher. Noch immer leben wir diese anerzogenen Rollen,
erfüllen ungern unsere vielen Pflichten und sind frustriert über
unerfüllte Rechte, deren Erhalt uns doch eigentlich zugestanden
hätte. Wir haben sehr oft unser Leben zu einer Handelsgesellschaft
degradiert. Wir investieren durch Arbeit, Treue, Liebsein, Verzicht,
Aufmerksamkeiten, Geld. Und wenn wir investiert haben, wollen wir
auch den Gegenwert für unsere Investitionen. Jetzt steht es uns
doch wohl zu, dafür entlohnt zu werden. Kommt der erwartete Gegenwert
nicht, so fordern wir ihn. Kommt er immer noch nicht, so strafen
wir mit allem, was unsere Strafregister bieten. Aggressiv sadistisch
mit Schlägen, Schreien, Schuldprojektionen oder auch mit Schweigen.
Oder eher masochistisch, beleidigt durch Leiddemonstrationen, wir
setzen unseren Kokerspaniel- oder Dackelblick auf und schweigen
strafend wieder. Auf einen Nenner gebracht : Uns wurden mit viel
Gewalt Fremdwerte aufgedrängt, durch deren Anwesenheit wir uns Vergewaltigen,
Dinge scheinbar für andere zu tun, um Rechte zu erhalten, denen
wir, dann scheinbar legitim, wieder mit Gewalt zur Erfüllung verhelfen.
Kommen wir zum Stellenwert der Sexualität in unserer Gesellschaft.
Vermutlich haben unsere biologischen Lustbefriedigungsmechanismen,
das Fühlen, Schmecken, Hören, Sehen, Riechen, Neugierde, ähnliche
Wertigkeiten. Wie erklären wir uns dann den extrem hohen Wert, der
der Sexualität in unserer Kultur zugeschrieben wird? Zum besseren
Verständnis hierfür versuche ich kurz das Wertprinzip zu erklären.
Gegenüber allen Aspekten des Lebens besteht in uns eine Bewertung.
Gewissermaßen verteilen wir an alle Aspekte des Lebens eine individuelle
Zahl von Pluspunkten, die im Verhältnis zur interpretierten Wichtigkeit
des Lebensaspektes steht. Wir bewerten und verteilen damit Punkte
an Onkel Hubert, Tante Terese, das Spiel, das Essen, die Musik und
so weiter. Rein biologisch sind wir nur in der Lage, Pluspunkte
zu verteilen. Die Verteilung von Minuspunkten ist mit der Verneinung
von Realitätsanteilen oder Lebensaspekten gleichzusetzen. Nur die
uns anerzogenen Fremdwerte sind jedoch in der Lage, Verneinungen
zu erreichen. Und darin liegt die Basis der Gewalt. Angenommen,
wir bewerten nun bestimmte Lebensaspekte mit einer bestimmten Punktzahl,
so zum Beispiel das Essen mit 18. Weiter angenommen versucht jetzt
die Umwelt, aufgrund kultureller Meinungen, diesen, unseren Wert
von 18 gegenüber dem Essen zu reduzieren. Die Umwelt sagt : Essen
macht dick, häßlich und ablehnungswürdig, verursacht Stoffwechselstörungen,
Krankheiten, Siechtum und schließlich den Tod. Bald glauben wir
das selbst. Nun versuchen wir den jetzt zu hoch erscheinenden Wert
18 mithilfe von Vorsätzen zu blockieren. Der Wert von 18 lässt sich
jedoch nicht so leicht verändern, er besteht intern weiter. Im Bereich
unseres Verhaltens können wir jedoch, anfangs einfach, später immer
schwerer das Essen nur mit, sagen wir 14 befriedigen. Was ist nun
die Folge, dieser Schizophrenie? Die Wichtigkeit des Essens wird
für uns wohl größer werden. Sie steigt auf 20, 30, 50 und schließlich
sind wir in dem Zustand, dem wir Sucht nennen. Und ein Wert zieht
wie mit einem Gummiband das Verhalten nach sich. Je mehr wir mit
unserem Verhalten vom Wert abweichen umso größer wird der Zug auf
das Gummiband. Und wenn der Zug groß genug ist, werden wir dem Wert
durch unser Verhalten folgen. Durch unseren Versuch, den Wert nicht
zu erfüllen stieg dieser Wert. Durch die Steigerung des Wertes entstand
schließlich ein gesteigertes Essverhalten. Fazit: Durch einen Gewaltakt
erreichten wir genau das Umgekehrte dessen, was wir erreichen wollten.
Ein anderes Beispiel : Spinat schmeckt biologisch betrachtet vermutlich
nicht unangenehm. Erkennen wir also biologisch dem Spinat eine Wertigkeit
von 15 zu. Glaubte nun Mama oder Papa dem, was die Kultur Ihnen
sagte, über die Vitamine, Spurenelemente, Ballaststoffe und Eisen
im Spinat, so lag es nahe, dass Papa oder Mama so viel wie möglich
von dem gesund erscheinenden grünbraunen Baz in die Sprösslinge hineinschaufelte.
Die Zufuhr von Spinat verlief in diesem Fall weit über dem individuellen
Wert von 15. Der erste Widerstand seitens des Kindes gegenüber der
weiteren Zufuhr von Spinat zeigte sich durch nicht mehr
Weiteressen,
der zweite durch Kopfwegdrehen, der dritte durch Weinen, der vierte
durch das Herausspucken der jetzt ungeliebten Substanz. Was ist
geschehen? Der Wert von 15 wurde ignoriert und überintensiv, vergewaltigend
mit 19 erfüllt. Lange genug vergewaltigt entstand für das Kind eine
Reduktion des Wertes auf 3 Punkte oder wurde sogar mit Minuswerten
quittiert. Wir alle können solche Beispiele bei uns selbst finden,
bei denen unsere eigenen Wertigkeiten durch Fremdeinflüsse in die
unerwünschte Richtung verändert wurden. Die wir also selbst erlitten.
Oder solche Beispiele, bei denen wir selbst durch eigene Motive,
die wir gewaltvoll und damit kurzsichtig auf andere anwandten und
deren Wertveränderungen erreichten, die unseren eigentlichen Zielen
überhaupt nicht entsprachen. Nun kurz und abstrakt gesagt, das Wertprinzip
: Eine einem WERT nicht entsprechende DENKENS- oder VERHALTENSWEISE
muss eine gegenläufige WERTVERÄNDERUNG nach sich ziehen. In diesem
Zusammenhang kurz die Definition des Wortes Tabu : Ein Tabu ist
ein Themenbereich, in dem die uns anerzogenen KULTURWERTE unsere
BIOLOGISCHEN WERTE einschränken. Gab es in unserer Kindheit und
Jugend ähnlich unterdrückte Aspekte des Lebens wie im Rahmen der
Sexualität? Diese einzigartige Mischung aus Geheimnistuerei, Ignoranz,
Unterdrückung in Verbindung mit der offenen hohen Bewertung durch
unsere Kommunikationsmedien wie Zeitungen, Zeitschriften, Radio
und Fernsehen ermöglicht einem Vergleich mit einem mit Wasser gefüllten
Dampftopf, den ich zwar einerseits mit aller Macht verriegle aber
andererseits die Flamme unter ihm aufdrehe, bis es nicht weiter
geht. Wen wundert es jetzt noch, wenn es viele der Töpfe, also Männer
zerreißt? Gewalten aller Arten sind die Folge. Im vermutlich schlimmsten
Fall entsteht die Vergewaltigung. Zur Zeit unserer Kindheit und
Jugend sind uns allen auch bereits Idealbilder von optimalen, phantastischen,
hervorragenden Liebhabern und Liebhaberinnen vermittelt worden.
Mit den Idealbildern, die uns mit Filmen und Romanen aufgedrängt
wurden erhielten wir einen Eindruck davon was wir an Optik, Taten
und Worten zu bringen hatten um "GUT" zu sein. Natürlich
erhielten wir auch einen Eindruck davon, was unsere späteren Sexualpartner
zu leisten hatten und wie sie aussehen mussten, wenn sie "GUT"
sein wollten. Tragisch - lustig erscheint es oft, wenn wir vergleichen,
was in anderen Kulturen "GUT" ist und deshalb von den
dortigen Menschen angestrebt wird. Was dann natürlich auch die dortigen
Ängste, Konflikte und Gewalten beim Nichterreichen der dortigen Sexualideale
nach sich zieht. Beim Mann ist die Voraussetzung für die Erektion
des Gliedes die interpretierte oder reale Anwesenheit eines Sexualobjektes.
Das Wort Sexualobjekt hat im biologischen Sinn nichts mit irgendeiner
Form von Abwertung zu tun. Es besagt, dass eine Struktur oder Objekt
oder ein Gedanke durch etwas weibliches, rundes, weiches, zartes
eine erogene Emotion in ihm auslöst, die, seine biologische Egozentrik
in diesem Moment vorausgesetzt, auch die Erektion des Gliedes nach
sich zieht. Auch das Wort Egozentrik bedeutet in diesem Zusammenhang
nur, dass er in diesem Moment sich und sein Wollen oder sein eigenes
Bedürfnis im Zentrum sieht. Dieses begehrenswerte, reizvolle, wichtigste
Objekt, Frau, das jetzt all seine Aufmerksamkeit erregt ist Teil
seiner Umwelt, ist also extern. Soweit so gut, so vermutlich biologisch.
Und nun zur Kulturrealität. Wie bereits gesagt bestimmen unsere
Kulturideale auch, was wir zu bringen haben um "GUT" zu
sein. Dem jeweiligen Geschlecht wurde auch vermittelt, was das "andere
Geschlecht" sich scheinbar erwartet. In dem Moment, in dem
ein Mann nun versucht, diesen vermuteten Erwartungen der Frau normenbetont
zu entsprechen, ist sein Ego und sein biologisches Wollen nicht
mehr im Vordergrund seines Denkens, sondern er versucht, den Kulturauftrag
zu erfüllen, den ein "GUTER MANN" zu erfüllen hat. Nachdem
seine eigene Wichtigkeitsinterpretation und sein auf ihn selbst
bezogenes Wollen nicht mehr dominiert, sondern die Frau oder die
Norm, fehlt seinem Glied die Basis zur Erektion. Die Angst, gegenüber
diesem tabuisierten aber höchst wichtig erscheinenden Kulturauftrag
- der Sexualkraft - zu versagen führt auch nicht gerade zu einer
intensiveren Erektion des Gliedes. Wir Männer sind im Zustand der
Impotenz. Je mehr wir nun aus Versagensangst mit immer mehr Konzentration
und Selbstüberredung versuchen, den Geschlechtsverkehr zu praktizieren,
um so mehr entsteht das Misslingen dieses Vorhabens. Bei diesem Problem
hat es die Frau, wenn man es auf sie überträgt, kaum leichter. Die
Voraussetzung für die, der Sexualbereitschaft und Sexuallust folgenden
Scheidenfeuchtigkeit ist meist eine Dominanzempfindung, in der die,
nicht unterdrückende Kraft des Männlichen fühlbar wird. Steht nun
für die Frau im Vordergrund ihres Denkens die Erfüllung der Kulturaufträge
durch akrobatische Kunststücke, akustische und optische Lustdemonstrationen,
Serienproduktion von Orgasmen, so fehlt wiederum die Orientierung
auf das, was der eigene Organismus an wohligen Empfindungen bietet.
Die Scheide hat jetzt keinen Grund mehr zur Schleimproduktion, sie
reagiert oft mit Verkrampfungen, Entzündungen, Infektionsanfälligkeit.
Diese Frau hat durch ihr Bemühen, des Mannes und der Normen Forderungen
zuliebe als "GUTE FRAU" zu erscheinen ihren eigenen Organismus
vernachlässigt. Wie kann sie noch Lust empfinden, wenn all ihre
Konzentration sich auch in Folge ihrer irrigen Liebesempfindungen
auf das scheinbare Wollen des Mannes richtet? Liebe ist nun mal
keine Emotion, die Anlass zu irgendwelchen Investitionen gibt. Das
Habenwollen scheint die Basis der Investition zu sein. Diese Frau
wird sich selbst wundern, dass ihre Sexualempfindungen immer mehr
versiegen. Zwangsläufig wird sie den Erwartungen und eventuellen
Forderungen ihres Partners immer mehr Widerstand entgegenbringen
und als frigide erscheinen. Ein anderer Faktor für weibliche Sexualwiderstände
liegt wiederum in der Kindheit oder Jugend begraben. Unter Anderem
die mütterliche Sorge und Angst um eine zu frühe Schwangerschaft
der Tochter ließ es der Mama angeraten erscheinen, in der Tochter
Ängste vor der Sexualität entstehen zu lassen. Des Vaters Verlustangst
und seine Eifersüchte ließen ihn die Mutter unterstützen bei ihren
Bemühungen. Auch mit Schmutzempfinden und Schmerz, Angst vor Krankheiten
in Verbindung mit Sexualität wurde manipuliert. Mit solchen Interpretationen
groß geworden ergab sich für die Frau die Empfindung, die Sexualität
ist nur etwas, was dem Manne Spaß macht und man - oder besser gesagt
Frau muss die Sexualität dem Manne bieten um Gegenwerte dafür zu
erhalten in Form von Heirat, Treue, Liebe, Geborgensein. Und schon
wieder sind wir beim Handel angelangt. Und dieser Handel scheint
eines der Hauptübel in unserem Leben zu sein. Biologisch scheint
es so zu sein, dass wir Dinge für uns tun, die im Idealfall auch
anderen nutzen. Diese biologischen Grundfunktionen wieder zu verstehen,
heißt Nehmen ohne Wegnehmen zu können, Geben ohne Verlust zu erleiden
oder sogar, indem wir Nehmen, anderen etwas zu vermitteln, was diese
anderen als positiv empfinden. Machen wir uns auf den Weg, dieses
geniale Prinzip des Lebens auch innerhalb der Sexualität wieder
zu verstehen !
Monogamie
und Polygamie
Alles
Leben scheint funktionell orientiert zu sein. Die Motive des einzelnen
Individuums erfüllen auch die Rasseninteressen. Der im Dienste der
Lustbefriedigung stehende Geschlechtsverkehr zieht die Fortpflanzung
nach sich und erhält somit die Rasse. Sehen wir uns bei den Tieren
um, so können wir die monogamen von den polygamen unterscheiden.
Immer sind wir in der Lage, den Grund der Polygamie oder Monogamie
im Rassenerhalt zu finden. Sexualverhaltensweisen, Fortpflanzung
und Aufzucht des Nachwuchses erfordert mal die Monogamie und mal
die Polygamie. Monogamie ist übrigens zu definieren als ein meist
zeitlich begrenzter Bezug auf nur einen Liebespartner, mit dem die
Sexualität erwünscht ist. Die Polygamie hingegen erscheint als eine
andauernde Bereitschaft, auf sexuelle Konfrontation mit verschiedenen
Liebespartnern. Versuchen wir uns die menschliche Welt vor vielen
Jahrtausenden vorzustellen. Zu einer Zeit, als unsere heutige Genetik
geprägt wurde. Nehmen wir an, der Mensch lebte in Rudeln zusammen,
von etwa 10 bis 20 Individuen. Gehen wir zuerst auf die männlichen
Individuen ein. Von frühesten Kindesbeinen an versucht ein männliches
Individuum sich im spielerischen aber kampfbezogenen Vergleich mit
anderen zu messen. Sein ganzes Streben besteht darin, durch dieses
spielerische Konkurrere intensivstmögliche Kraft, Ausdauer, überlebensorientierte
Intelligenz und damit größtmögliche Dominanz aufzubauen. Intuitiv
erkennen wir Männchen, dass unsere Chancen, uns sexuell mit den Weibchen
des Rudels zu befriedigen immer größer werden, je dominanter wir
werden. Nun zwischendurch zu den weiblichen Individuen des Rudels.
In dieser Zeit konnte ein Weibchen noch eine sehr beschränkte Anzahl
von Kindern in die Welt setzen, von denen auch noch ein großer Teil
als Säugling starb. Für die Überlebensfähigkeit des weiblichen Individuums
war es von großer Tragweite, nach der dominantest verfügbaren Genetik
für den Nachwuchs Ausschau zu halten. Auch die Stärke und Überlebensfähigkeit
des gesamten Rudels war von dem weiblichen selektiven Partnerwahlverhalten
abhängig. Alle männliche Individuen versuchten also alles, um den
begehrten Platz des Rudelführers zu erreichen, auf den alle weiblichen
Augen sich orientierten. Für die weiblichen Individuen war der Führer
des Rudels das interessanteste Sexualobjekt, von dem frau automatisch
das dominantest mögliche Material für den Nachwuchs erhielt. Warum
sollten die weiblichen Individuen sich mit minderwertigen Genen
der nichtdominanten Männchen zufrieden geben? Eine reduzierte Überlebensfähigkeit
der Jungen, der Weibchen und somit des gesamten Rudels wäre die
Folge. Die enorme Tragweite, der Entscheidung, mit welchem Mann
die damalige Frau sich sexuell konfrontierte erforderte also ein
höchst selektives Sexualverhalten. Das bestverfügbare männliche
Individuum war gerade gut genug geeignet. Und dieses höchst selektive
Sexualverhalten nennen wir monogam. Die damalige Frau orientierte
sich vermutlich nur auf einen, den dominantest verfügbaren Mann.
Die Entscheidung für diesen Mann muss nicht von langer Dauer gewesen
sein. Tauchte heute ein noch mehr dominierender, verfügbarer Mann
auf, so gehört der von gestern sofort der Vergangenheit an und es
besteht eine Monogamie gegenüber dem vorhandenen. Nun wieder zum
männlichen Motiv. Wie gesagt versuchten alle männlichen Individuen
alles, um den begehrten Platz des Rudelführers zu erreichen. Und
nur einer konnte eine hochbegehrte aber begrenzte Zeit auf diesem
Platz ruhelos sitzen. In seinem sexuellen Interesse und damit im
Sinne der Rudeldominanz paarte sich dieser Rudelführer nun mit allen
verfügbaren Weibchen des Rudels. Welchen Sinn sollte eine Monogamie
dieses dominantesten Männchens haben? Sollte es ein Leben lang aufwendigst
und mit vielen Risiken verbunden nach seiner jetzigen Position streben
und nun seine dominierenden Gene nur einem Weibchen zur Verfügung
stellen? Phylogenetisch gesehen wäre das die absolute Verschwendung.
Und die Biologie erscheint nicht verschwenderisch, sondern im höchsten
Maße ergonomisch. Und so stelle ich nun die These auf, dass wir Männer
uns biologisch immer im Zustand der Polygamie befinden, wogegen
sich die Frauen vermutlich immer im Zustand einer monogamen Motivation
befinden. Man kann sagen, dass vor diesen vielen Jahrtausenden die
sexuelle Welt noch in Ordnung war. Wie ist das heute? Wir leben
nicht mehr in Rudeln von 10 bis 20 Individuen zusammen. Gibt es
heutzutage nicht sehr viele, sehr dominante Männer. Für welchen
sollte sich eine Frau entscheiden? Welche Männer sind verfügbar
und welche nicht? Für die Männer hingegen stellt sich die Frage
nach der Verfügbarkeit der Frauen. Die meisten Männer müssen Monogamie
vortäuschen, um sexuelle Rechte auf eine Frau zu er- und behalten.
Beide Geschlechter beginnen mit verschiedenen Investitionen, um
Rechte am Partner zu erhalten. Und wieder sind wir beim Handel angelangt.
Zum Abschluss können wir folgendes Fazit ziehen: Unsere genetische
Struktur von Frauen und Männern wurde in einer Zeit geprägt, in
der das Überleben von Individuen, Rudeln, Völkern und Rassen diese
Motive erforderte. Das Überleben und die Partnerschaft in unserer
heutigen Kultur wird durch die uns überlieferte Genetik zwangsläufig
nicht unterstützt sondern meist eher behindert. Es erscheint schwer,
aber trotzdem möglich, die uns überlieferte Genetik in harmonischen
Bezug zu unserer heutigen Zivilisation zu bringen.
Liebe
Mit
der Liebe, diesem Element, das über alle Epochen des Menschseins
stand, verhält es sich, wie bei allen anderen genialen Aspekten
des Lebens. Diese genialen Aspekte des Lebens versprechen bei Null
bis minimalem Aufwand einen großen Nutzen. Das undurchsichtig und
komplex erscheinende Schema beim Kennen lernen wandelt sich zum unüberbietbar
einfachen und logischen, je mehr unser Verstehen über das Geniale
reift. Mit dem Reifen unseres Verstehens über das Geniale wächst
auch die Nutzbarkeit des Mediums. Sehen wir uns zum Beispiel das
Geniale des Rades an. Die Findung oder Erfindung des Rades ließ
lange auf sich warten. Trotzdem wurde es anfangs noch relativ wenig
genutzt. Und heute, da wir das Prinzip des Rades relativ gut verstehen
integrieren wir es nützlich in unser Leben. Es ist nun aus unserem
Alltag nicht mehr wegzudenken. Das Prinzip des Rades zu verstehen
beinhaltet eine Minimierung des Aufwandes und eine Steigerung des
Nutzens. Beim genialen Prinzip der Liebe ist das Verhältnis von
Aufwand und Nutzen noch viel krasser wie beim Rad. Durch unser Verstehen
gegenüber der Liebe vermindert sich ein Aufwand des Lebens praktisch
gegen Null. Und zugleich steigert sich der Lebensnutzen gegen das
Unendliche. Um diese Worte besser zu verstehen, wenden wir uns zuerst
einer Definition des Wortes Liebe zu. Und zwar der Definition der
Liebe, wie sie uns angeboren erscheint. Ich denke: Liebe im biologischen
Sinn ist die Emotion der Harmonie oder Einigkeitsempfindung in der
Folge der wertneutralen Akzeptanz. Die wertneutrale Akzeptanz setzt
ein Wertgefüge in der Psyche eines Individuums voraus, das Eins
ist mit der Realität. Es fragt sich nun, ob ein Individuum aufgrund
seines ihm angeborenen Wertgefüges überhaupt in der Lage sein kann,
die Realität neutral zu verstehen. Durch die biologischen Werte,
die Lebensfähigkeit zu erhalten und die Lustbefriedigung zu gewährleisten,
besteht wohl eine Zwangsläufigkeit, die Realität zu bewerten. Ist
mit solchen vorgegebenen Werten die Neutralität der Realität denn
ganz zu verstehen? Vermutlich ist mit den uns vorgegebenen Werten
das Verstehen der Neutralität der Realität immer nur annäherungsweise
zu erreichen. Würde die Bewertung der Realität nur durch unsere
biologischen, also angeborenen Werte geschehen, so wären wir vermutlich
sehr oft im Zustand der Liebe. Dummerweise wurde uns jedoch im Verlauf
unserer Vergangenheit ein kulturspezifisches Wertsystem anerzogen,
das fast alle Realitätsanteile entweder positiv oder negativ bewertet.
Durch dieses, uns anerzogene Wertsystem werden nur sehr wenige Realitätsanteile
als neutral interpretiert und damit bewertet. Zusätzlich wurde uns
mit diesem kulturspezifischen Wertsystem die Wichtigkeit des Besitzes,
also des Habens anerzogen. Und diese hohe Bewertung des "Habens"
verdrängt die biologische Orientierung des "Seins". Im
"Sein" scheint die oberste Priorität des "Menschseins"
in den Gefühlen zu liegen. Wurde uns jedoch anerzogen, dass der Besitz
oder das Haben bestimmter Gegenstände die Voraussetzung für Befriedigungsgefühle
ist, so erstreben wir früher oder später mehr und mehr den Besitz.
In der Charakteristik unserer Kindheit war Besitz das Mittel zum
Zweck der Befriedigung. Aber wie so oft wurde aufgrund unseres assoziativen
Denkens das ehemalige Mittel zum Zweck das Ziel. Spätestens jetzt
überwiegt das anerzogene "Habenwollen" unsere angeborene
"Seinsorientierung". Und in dieser Situation glauben wir,
dass Besitz die Voraussetzung für die Liebe ist, die uns als so erstrebenswert
anerzogen wurde. An dieser Stelle bietet es sich an, die kulturspezifische
Definition von Liebe zu besprechen. Anerzogen wurde uns, dass Liebe
das Gefühl ist welches entsteht, wenn so viel wie möglich positiv
interpretierte Werte in einem Individuum oder einer Struktur erkennbar
erscheinen. In Verbindung damit scheint es möglich, so viel wie
möglich positiv interpretierte Erwartungen mit diesem Individuum
oder mit dieser Struktur zu befriedigen. Leider glauben wir nun
auch, dass wir dieses liebenswert erscheinende Individuum besitzen
müssten um mit ihm dauerhaft dieses Gefühl der Liebe zu "Haben".
Und dieses unbewusste Empfinden bringt uns zum Handel. Wir sind nun
wieder bereit zu investieren um unsererseits liebenswert zu erscheinen
um dadurch Recht auf Besitz des Partners zu erhalten. Sobald wir
an ein Recht auf Besitz glauben werden wir nun Forderungen stellen
um unseren nun wohl legitimen Erwartungen zur Erfüllung zu verhelfen.
Werden unsere Forderungen dann nicht erfüllt, so strafen wir mit
allem, was uns zur Verfügung steht. Und im Urwald all dieser Gewalten
glauben wir allen Ernstes noch daran, den Partner zu LIEBEN.
Eigenverantwortung
/ Projektion / Schuld
In
der Frühzeit der Menschengeschichte, so lassen Forschungsergebnisse
vermuten, bestand für ein junges Individuum bereits im Alter von
2 bis 3 Jahren die Notwendigkeit, auf sich selbst gestellt und ohne
den persönlichen Schutz der Mutter zu überleben. Nur das Rudel leistete
noch den Schutz, der jedem Rudelmitglied zuteil wurde. Extrem früh
musste also ein Individuum damals lernen, eigenverantwortlich zu
überleben, oder, wenn dies in der Kürze der Zeit nicht erlernbar
war, eben zu sterben. Überleben ohne die Übernahme der Eigenverantwortung
war damals also scheinbar nicht möglich.
Versuchen wir nun, das Wort Verantwortung zu definieren:
Verantwortung erscheint als die Fähigkeit, Realitätswirkungen auf
uns hinzunehmen, zu akzeptieren.
Realitätswirkungen gleichen "Antworten", die aufgrund
der Charakteristik unseres Lebens auf unser Leben wirken. Je nach
der Charakteristik unseres Lebens werden wir also spezifische "Antworten"
der Realität zu tragen haben. Wir selbst sind also diejenigen, die
die Verantwortung für uns selbst zu tragen haben, und niemand sonst.
Solange wir uns selbst als die bedingenden Faktoren unseres Lebens
und damit der Realitätsantworten auf unser Leben ansehen, steht
unserer Lernfähigkeit nichts im Wege. Je intensiver wir also unsere
Eigenverantwortung übernehmen, umso größer ist also auch unsere
Lernfähigkeit, damit unsere Anpassungsfähigkeit und damit unsere
Überlebensfähigkeit. Und das scheint der Zweck der Eigenverantwortungsfähigkeit
zu sein. Unsere Überlebensfähigkeit.
Dieses trockentheoretische Definitionsgewirr wird durch einige
Beispiele leichter verständlich.
Nehmen wir an, es regnet und ich gehe spazieren. Ein Teilbereich
der Realität ist also der Regen. Die Realitätsantwort auf meine
Entscheidung, im Regen Spazieren zu gehen besteht also darin, dass
ich nass werde. Diese Antwort der Realität trage ich. Ich bin verantwortlich
und ich fühle mich verantwortlich. Auf einem Waldweg laufend fällt
mir ein Tannenzapfen auf den Kopf. Die Wirkung der Realitätsantwort
sieht man als Beule auf meinem Kopf. Ich trage im wahrsten Sinne
des Wortes die Wirkung der Antwort der Realität. Also trage ich
die Verantwortung. Auf dem selben Waldweg stolpere ich an einem
Stein und verstauche mir den Knöchel. Auch diese Antwort der Realität
auf mein unvorsichtiges Laufen trage ich selbst in Form eines dicken
Knöchels. Wieder trage ich die Verantwortung.
Kommen wir nun zur Projektion und damit zur Schuld.
Wenn auf uns, infolge unseres selbstentschiedenen Verhaltens, wie
Spazierengehen, eine ungünstig empfundene Realitätswirkung besteht,
wie naß werden, Beule am Kopf oder dicker Knöchel, so sind wir oft
noch ganz gut in der Lage, selbst die Verantwortung zu übernehmen.
Manche von uns schaffen es jedoch schon hier, eine Projektion der
Schuld für selbsterhaltene Realitätsantworten auf einen oder mehrere
andere zu übertragen. Der eine schimpft auf die Blödel, die an den
Klimakatastrophen auf unserer Erde schuld sind, in deren Folge es
nun regnet und in dessen Folge er nun naß wird. Die andere schimpft
auf den Förster, der doch eigentlich diese blöden Tannenzapfen von
den Tannen über den Fußwegen schütteln müsse, daß harmlose Spaziergänger
nicht in pausenloser Todesgefahr hier spazieren gehen müssen. Wieder
ein Anderer schimpft auf die Gemeinde, die nicht einmal in der Lage
ist, hier auf diesem Waldweg einen anständig asphaltierten Untergrund
zu schaffen, auf dem unbescholtene, steuerzahlende Bürger spazierengehen
können, ohne Gefahr zu laufen, sich auf derart gemeingefährlichen
Untergründen die Beine zu brechen. Für die völlig sinnlose Umgehungsstraße
war doch schließlich auch genug Geld da. In diesen Beispielen erkennen
wir bereits dezente Anzeichen einer Projektion.
Und wie können wir Projektion definieren?
Die Projektion erscheint als eine Bereitschaft, Realitätseinwirkungen
auf uns durch Andere bedingt und damit verschuldet zu empfinden.
Wir sehen also, dass bei selbstentschiedenem Verhalten mit Schadensfolge
für uns, unsererseits die Bereitschaft zur Übernahme der Verantwortung
am größten ist. Aber wer sucht, der findet und wer lange genug sucht,
der findet sicher einen anderen Schuldigen als uns selbst für unseren
Schaden. Wie steht es nun bei Schäden infolge unserer Verhaltensweisen,
die auf andere zurückzuführen sind? Ich gehe beispielsweise, vielleicht
noch ungern, mit einer Freundin und nur ihr zuliebe spazieren;
Dooferweise
beginnt es zu regnen, ein Tannenzapfen fällt mir auf den Kopf und
zu allem Überfluss hole ich mir an einem Stein einen verstauchten
Knöchel. Und alles das nur wegen ihr!!! Sie wollte ja unbedingt
in diesen saudummen Wald, nicht ich!! Wären wir zum Fischen gefahren,
so, wie ich es wollte, so hätte ganz sicher die Sonne weiterhin
geschienen. Aber so!!! Sie ist an allem schuld, das wird sie mir
büßen. In solchen Situationen, in denen wir unser Verhalten "scheinbar"
nicht unmittelbar selbst entschieden, haben wir, wie unschwer zu
erkennen, eine weit größere Bereitschaft zur Projektion und damit
zur Schuldzuweisung. Aber wir haben nur scheinbar unser Verhalten
nicht selbst entschieden. Wurden wir wirklich real gezwungen, mitzugehen?
Oder haben wir nur versucht, unsere kulturspezifische Rolle zu erfüllen
und auch mal ihr zuliebe mit ihr spazieren zu gehen? Fühlten wir
uns nicht durch unsere eigene Schuldempfindung gezwungen, ihr diesen
Wunsch zu erfüllen? Wie dem auch sei, wir selbst haben entschieden,
Spazieren zu gehen und tragen damit alle Folgen der Realitätswirkungen
auf uns. Auch in solchen Beispielen haben wir die Antworten der
Realität auf uns zu tragen und sind somit verantwortlich, ob wir
uns nun sträuben und Schuld auf andere projizieren oder nicht.
Kommen wir zur dritten Kategorie der Verantwortung.
In dieser Kategorie entscheidet sich jemand für eine Verhaltensweise,
durch die für mich Schaden entsteht.
Zum Beispiel gießt jemand im ersten Stock eines Hauses einen am
Fenster stehenden Blumenstock, der bei dieser Gelegenheit auf meine
Schulter herunterfällt. Wie kann diese Hausfrau um diese Zeit auf
so dilettantische Art einen so unvorschriftsmäßig angebrachten Blumenstock
gießen? Natürlich ist sie schuld und damit verantwortlich für meine
immensen Verletzungen, es hat sich immerhin ein blauer Fleck gebildet.
Ich hätte auch tot sein können oder Invalide. Das wird sie mir büßen.
Bei dieser Kategorie von Verantwortung sind wir am ehesten bereit,
die Verantwortung für unseren Schaden auf den Auslöser und damit
den scheinbaren Schuldigen zu projizieren. Aber die Realität fragt
nicht nach dem Auslöser oder dem Verursacher, oder nach einem Schuldigen.
In der Realität stellt sich nur die Frage, ob ein Individuum in
der Lage ist, zur Selbstverantwortung zu stehen, intensivste Lern-
und Anpassungsfähigkeit zu zeigen und damit höchste Lebensfähigkeit
zu erhalten. Innerhalb unserer Kindheit erlernten wir alle ein völlig
anderes Verantwortungsprinzip.
Wir hatten das Verursacherprinzip zu erlernen. Und dieses besagt,
dass der Verursacher eines Schadens der Schuldige für den Schaden
ist und dass dieser Schuldige mit Strafe und Regresspflicht zu rechnen
hat. Das Destruktive daran scheint in erster Linie die Schuldempfindung
und die Strafe zu sein. Aber diese beiden Faktoren waren und sind
als Manipulationswerkzeuge hoch begehrt.
Eine Schuldempfindung entsteht in einem Individuum, wenn es gegen
Pflichten verstößt, die innerhalb der kulturspezifischen Rollen
bestehen, mit denen sich das Individuum identifiziert.
Eine Schuldempfindung ist immer eine Angstform, die ein bestehendes
soziales Gefüge nur künstlich am Leben erhalten kann. Die Bereitschaft,
sich zu sozialen Strukturen von innen heraus zu bekennen vermindert
sich durch Schuldempfindungen massiv. Die Schuldempfindung verursacht
letztlich einen Widerstand gegen das Gefüge, das Schuldempfindungen
und damit Zwang auslöst. Wie oft versuchen wir innerhalb unserer
Partnerschaften, indem wir uns auf die Rechte in unseren Rollen
versteifen, den Partner mit Schuldzuweisungen zu manipulieren. Welche
Mauern bauen wir zwischen uns und den derart manipulierten Partnern
oder sollten wir besser Gegnern sagen, auf?
Wann erkennen wir endlich, dass wir den Anspruch auf eine konstruktive
Partnerschaft durch Schuldprojektion, Strafe und jegliche andere
Gewalt verlieren?
Streithintergrund
: Absolute Aussage
"Was
fällt Dir ein, Du hast mir gerade eben die Zunge herausgestreckt,
du Dummkopf!"
Mit solchen oder ähnlichen Aussagen beginnen viele unserer Streitsituationen.
Weder stellen wir unseren Eindruck, der Partner hätte uns seine
Zunge herausgestreckt in Frage, noch geben wir dem Partner eine
Chance, sein vermutet feindseliges Verhalten zu erklären. In blinder
Gegenangriffsbereitschaft stempeln wir den Zunge herausstreckenden
"Partner" zu einem Aggressor ab, den es fraglos gilt,
auf adäquate Weise zu behandeln. Geeignet hierfür erscheint uns
die Aussage "Du Dummkopf" zu sein.
Wie ist uns unsere Bereitschaft abhanden gekommen, unseren Partnern
einen Nichtangriffsbonus zuzugestehen? Ein Faktor scheint unsere
geringe Kenntnis über unsere eigenen Motive zu sein. Wir haben nämlich
keine Bereitschaft zum Angriff. Wir haben immer nur eine Bereitschaft,
unsere Werte, also Privilegien, Ideale oder unsere Rollen zu verteidigen.
Sollten wir so weit sein, unsere eigenen Motive verstanden zu haben,
so billigen wir unseren Partnern ein ähnliches "Nur Verteidigungsverhalten"
nicht zu. Unsere Partner sind nicht so edel wie wir selbst. Sie
verteidigen sich nicht nur, sondern sie greifen immer nur an. Und
damit sind sie nun mal Aggressoren, und gegen die hat man nicht
nur das Recht, sondern auch die Pflicht sich zu verteidigen. Dass
unsere Partner aus ihrer Sicht das genauso sehen, wie wir ist zwar
logisch, leuchtet aber oft nicht ein.
Ein anderer Faktor scheint unsere Tendenz zu sein, von der Relativität
der Meinung hin zum Absoluten des Wissens zu gelangen.
Um diesen Vorgang besser zu verstehen müssen wir einen kleinen
Abstecher in unsere Vergangenheit machen.
Als ganz kleine Menschen haben wir Meinungen und Empfindungen,
die uns gänzlich genügen, um Entscheidungen zu treffen, mit denen
wir befriedigt durch unser Leben steuern. In dieser frühen Lebensphase
verläuft unsere Weltanschauung noch in der Relativität der Meinung
und Empfindung. Noch benötigen wir nicht die Sackgasse des Wissens.
Aber schon früh beginnt die Umwelt, uns in diese Sackgasse des absoluten
Wissens hinein zu dirigieren.
Hier nun meine Definition von Wissen. Wissen ist die absolute Kenntnis
der Realität.
Wenn die Realität aber zeitlich und räumlich unendlich und unveränderlich
in ihren Prinzipien ist, so wird wohl für die menschliche, sehr
begrenzte Gehirnfunktion, Wissen als absolute Kenntnis der Realität
eine Unmöglichkeit darstellen. Vermutlich besitzen wir mit unserem
Denkvermögen weder die Fähigkeit, alle Faktoren der Realität zu
speichern, noch könnten wir deren Funktionen oder Wirkungen berechnen.
Gehen wir davon aus, dass sich die Realität prinzipiell nicht verändert,
so dürfte sich auch das, was wir denken zu wissen, nicht verändern.
Wie oft geschah es aber in unserer Vergangenheit bereits, dass wir
etwas als Wissen deklarierten, was sich jedoch bald als falsch erwies.
Symbolisch gesehen bekam jeder von uns als kleines Kind einen großen
Stein, einen Hammer und einen Meisel. Mit diesen Utensilien bewaffnet
erhielten wir den Auftrag, alles, was uns als Wissen vermittelt
wurde, in diesen Stein des Wissens hinein zu meißeln. Je größer
unser Stein und je mehr "Wissen" wir hinein gemeißelt
haben, umso intensiver wurden wir mit dem positiven Feedback der
Umwelt belohnt. Was in den Stein gemeißelt war und zur Zufriedenheit
der Umwelt reproduziert werden konnte, vermittelte uns Nutzen durch
Einser, Eis, länger Wachbleibendürfen, Ehrbezeugungen, Spielzeug
und andere scheinbare Liebesdemonstrationen. Oft mussten wir zwar
schon in den Stein gemeißelte Wissensinhalte revidieren, aber auch
nur dann, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ. Diese Wissensbereiche
erschienen uns zäh und durch den großen Masseninhalt sehr schwer
veränderbar. Mit großem Aufwand meißelten wir das alte, als irreal
erkannte Wissen, heraus, um es sofort gegen das neue, nun real interpretierte
Wissen zu ersetzen. Dieser Vorgang wiederholte sich in denselben
Wissensbereichen viele Male. Biologisch benötigten wir weder Stein,
noch Hammer oder Meißel. Uns genügte Empfindung, Meinung und These.
Die Variabilität des Lebens scheint durch jedes Wissen nur behindert
zu werden. Wofür also der Ballast von Stein, Hammer und Meißel?
Nur, um damit brillieren zu können? Zwangsläufig benötigten wir
als Kinder, infolge unserer Abhängigkeit von unserer Umwelt, verschiedene
Medien als Mittel zum Zweck für positives Feedback. Eines dieser
Medien war wohl die Wissensdemonstration. Benötigen wir sie heute
noch oder können wir uns bekennen zur Relativität, und damit Variabilität,
von These, Meinung und Empfindung? Bleiben wir so fixiert an den
Absolutismen unserer Zeit hängen, so ist es nicht verwunderlich,
dass wir unseren Partnern mit Äußerungen begegnen, wie: "Was
fällt Dir ein, Du hast mir gerade eben die Zunge herausgestreckt,
du Dummkopf!" Andernfalls haben wie die Chance, infolge einer
Empfindung, der Partner hätte uns die Zunge herausgestreckt, auch
zu fragen, ob der Partner uns die Zunge herausgestreckt habe. Und
wenn dem so sei, auch zu fragen, was der mögliche Hintergrund für
dieses Verhalten sein könne. Bei solch einer Infragestellungsbereitschaft
unserer Meinung sind wir weit entfernt, uns sofort spontan verteidigen
zu müssen und noch weiter entfernt davon, sofort einen Gegenangriff
durch den Ausspruch "Dummkopf" praktizieren zu müssen.
Dass aus dieser Denkens- und Verhaltensweise ein weitaus
konstruktiveres
Folgegeschehen entsteht, leuchtet ein. Wie wäre es, wenn wir den
Stein des Wissens, seinen zugehörigen Hammer und Meißel eintauschen
gegen ein großes Blatt Papier, auf dem wir mit einem weichen Bleistift
Thesen und Meinungen aufschreiben, die wir bei neuen Erkenntnissen
ohne großen Aufwand weg radieren und gegen die neue Erkenntnis austauschen
können? Toleranz kann wohl nur infolge der Erkenntnis der Relativität
unserer Meinungen entstehen. Durch Wissensinterpretationen müssen
anders lautende Wissensinterpretationen automatisch als Angriffe
interpretiert und bekämpft werden. Meinungen hingegen, nutzen andere
Meinungen zur Annäherung an die Realität.
p.a.hartberger@arcor.de
Copyright © 2005 Peter A. Hartberger
Donnerstag, 06. August 2009
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