Rechte und Pflichten
Viele
Partnerschaften sind durch unterschiedliche Betrachtungen über
Rechte und Pflichten belastet. Je nach Gesellschaft werden wir
innerhalb der
Rollen von Männern, Frauen oder Kindern sehr unterschiedliche
Zuweisungen von Rechten oder Pflichten finden.
Als kleine Kinder spielten wir das Spiel „Vater
und Mutter“. Wir ahmten unsere Väter und Mütter nach. Was taten Papa
und Mama in welchen Situationen? Zu welchen Zeiten? Welchen Personen
gegenüber? Wer hatte welche „Rechte und Pflichten“? Durch die
Erfüllung von Pflichten „erarbeiteten“ wir uns manche Rechte. Welche
Erfüllung welcher Pflichten führte zum Erhalt welcher Rechte? Mit
welchen Formen von
„Nachdruck“ wurde „unseren“ Rechten zur Erfüllung verholfen,
wenn Menschen in unserer Umwelt nicht bereit waren, unsere Rechte zu
respektieren? Welche Pflichten mussten von wem erfüllt werden,
nachdem wir unsere Pflichten geleistet hatten? Wie empfanden wir
damals das Muss der Pflicht? Wie heute? Wen setzen wir mit diesem
Muss unter Druck? Warum und mit welchem „Erfolg“?
Für uns Kinder war das ein sehr schwer zu
erlernendes System. Auf unsere Fragen – warum das oder jenes denn so
sei – erhielten wir oft die fragwürdige Antwort: „Das ist halt so!“
Sehr wahrscheinlich haben wir als Kinder vieles
in Frage gestellt. Aber bei solchen Antworten fiel uns dann auch
nichts mehr ein. Und das Dumme daran: Irgendwann stellten wir vieles
auch nicht mehr in Frage. Unsere Pauschalantwort: - „Das ist halt
so!“ – ist so einfach und faul zu übernehmen.
All das lernten wir als kleine Kinder. Und
heute wenden wir das Gelernte größtenteils unbewusst an, um
Erfüllungen unserer interpretierten „Rechte“ zu erreichen.
„Rechte und Pflichten“ sind halt so – was
sollten wir daran noch in Frage stellen?
Sollte es sich herausstellen, dass 50 bis 90 %
unserer Partnerschaftskonflikte und viele andere Konfliktgruppen
genau dadurch bedingt sind, dass wir das anerzogene System von
„Rechten und Pflichten“ einfach nur „gefressen“ haben, es nun
anwenden ohne den Sinn in Frage zu stellen? Dann gäbe es wohl einen
sehr triftigen Grund dieses System noch mal auf Konstruktivität und
Destruktivität zu überprüfen.
Beleuchten wir einige Folgekonflikte.
Der erste zwangsläufige
Schaden entsteht durch den „Verlust“ der
Investition. Wir nehmen mit Mühen Frustrationen auf uns. Dieses
Geschehen entspricht einer Investition, obwohl wir diese bewusst
meist nicht als solche erkennen. Jetzt erhoffen wir uns – schon
wieder unbewusst - größere Erträge oder Gegenwerte als wir
investiert haben. Und schon sind wir in einem
Handelsgeschehen.
Ich tu für Dich dies – und Du
tust für mich dann das.
Ob wir Partnerschaften wie
Handelsgesellschaften führen wollen, um sie damit zu degradieren,
obliegt der Entscheidung des Einzelnen.
Um Rechte zu erhalten, müssen wir vorher einen
Aufwand erbringen.
Nachdem uns aber der „Lohn“ des „Rechtes“
winkt, erfüllen wir Pflichten als eine „Voraus -Bezahlung“, durch
die uns „Gegenwerte“ als Rechte zustehen.
Wir fordern die „Gegenwerte“ für unsere
„Investitionen“ in vielfältigen Formen, wenn sie uns nicht
„freiwillig“ erbracht werden. Wir sind beleidigt, aggressiv,
vorwerfend, bissig, Schuld zuweisend, strafend, erpressend und
vieles mehr. Mit einem Wort praktizieren wir
„Gewalt“, durch die wir unseren „Rechten“ zur Erfüllung
verhelfen.
Ist das Verständnis zum Thema Rechte und
Pflichten unter Partnern ähnlich geprägt, entstehen weniger
Konflikte. Jeder der Partner ist sich im Klaren darüber, welche
Investition durch Pflichterfüllung welche Erträge
(Erwartungserfüllungen) einbringt.
Ungünstig scheint dabei „nur“ das vorgegeben
„programmierte Verhalten“ zu sein, das einer variablen, lebendigen
und farbigen Verbindung im Wege steht. Sehr viele „Kompromisse“ sind
in diesen Handelsgesellschaften notwendig.
Unterschiedliche Rechte- und
Pflichtenvorstellungen sind aber ein Garant für Konflikte.
Nun wird diskutiert (lat: zerschnitten) und
debattiert (lat: geschlagen). In der Regel entsteht ein eher
destruktives Geschehen, wenn wir auf unsere Rechte und des Anderen
Pflichten pochen, anstelle unsere „Rechte und Pflichten“ im Prinzip
in Frage zu stellen.
Der zweite Schaden:
Die Frustration durch Nichterfüllung unserer „Rechte“ und die daraus
entstehenden
Projektionen. (Auf die Projektion an dieser Stelle näher
einzugehen sprengt den Rahmen dieses Newsletters. Bei Bedarf folgen
Sie aber gerne dem Link und finden Erklärungen und Beispiele)
Der dritte Schaden
entsteht infolge der Distanz, die entsteht, wenn wir um Rechte
kämpfen. Der Kernsatz: „Wer kämpft verliert“ – zeigt hier wieder
seine Gültigkeit. Wir praktizieren Gewalten, die wir scheinbar „zu
Recht“ anwenden, (weil wir ja vorher dieses oder jenes für den
Partner getan haben [Investition] und der jetzt nicht die genügende
Bereitschaft hat „zurück zu bezahlen“)
Vermutlich wenden wir bei all diesen Motiven
und Verhaltensweisen eine „Aufwand / Nutzen – Analyse“ an.
Dabei erscheint kurzsichtig der „Aufwand“
geringer als der „Nutzen“. Berechnen wir die „Spätfolgen“ unserer
Gewalten mit ein, entsteht ein ganz anderes Ergebnis. Die
„Spätfolgen“ der Gewalten addieren sich zum Aufwand. Infolge unserer
Gewalten distanzieren sich Menschen von uns. Wir verlieren unsere
Souveränität. Groß und vielfältig ist die Summe der destruktiven
Spätfolgen.
Teufelskreise
entstehen. Ablehnungsempfindungen â
Minderwertigkeitsempfindungen
â
Kompensationen und Projektionen
â
Ablehnungen
â
Ablehnungsempfindungen ….
Ein vierter
Schaden entsteht durch unsere Schuldempfindungen, infolge der
Nichterfüllung unserer „Pflichten“.
In unserer Kindheit wurden wir damit
manipuliert. Die Schuldempfindung führte über die Ablehnung zu
Angst. Und die wirkt oft noch heute als Lebensmotiv Nummer 1.
All diesen „Rollen“, „Rechten“, „Pflichten“,
„Aggressionen“, „Identifikationen“
und „Projektionen“
können wir durch Bewusstwerdung ihr Gift neutralisieren.
Wir können wieder lernen, dass uns „Rechte“ nur
von unseren Partnern infolge unseres Respekts ihnen
gegenüber vermittelt werden können. Diese „Rechte“ sind sehr
variabel und unter Umständen sehr kurzlebig, aber damit bleibt die
Partnerschaft lebendig. Wir hingegen gehen oft von
„Gewohnheitsrechten“ aus, die uns rollenspezifisch zugewiesen
wurden. Kinder dürfen….. Männer dürfen….. Frauen dürfen….. Und
diese Rechte wurden in unseren Köpfen wie „Besitz“ angenommen.
Besitz können wir aber verlieren. In unseren Köpfen entstehen nun
Verlustängste. Und was ich habe, lasse ich mir nicht nehmen. Ich
kämpfe um den Erhalt meines Privileges oder Rechtes.
Bei all diesen Kämpfen stelle ich das Recht auf
meine Rechte nicht mehr in Frage, sondern verteidige „meinen
scheinbaren Besitz oder mein Privileg oder mein
Recht“. Auf diese Weise praktiziere ich Verhaltensweisen, um etwas
zu verteidigen. Die Umwelt empfindet mich aber zwangsläufig nicht
als Verteidiger, sondern als den „Aggressor“, gegen den sie sich
scheinbar legitim zur Wehr setzt, sich verteidigt, was mir nun
wieder als „Aggression“ erscheint. In all jenen Situationen gibt es
nur „Verteidiger“, die den Anderen Verteidiger aber immer als den
Aggressor betrachten müssen. Jeder Streit oder Krieg scheint nach
diesem Muster abzulaufen.
Je mehr wir uns auf die gesellschaftsbezogenen
Rollen und die darin eingebundenen Recht/Pflicht – Systeme fixieren,
umso mehr verlieren wir den Respekt gegenüber der individuellen
Persönlichkeit von Freunden, oder Partnern. ….. und verlieren genau
diese variablen Rechte, die uns diese Freunde oder Partner
zusprechen würden, wenn wir in der Lage, wären ihnen gegenüber
Respekt zu leben.
Vielleicht verstehen wir immer besser, wie
wichtig unser Respekt uns selbst gegenüber ist. Er scheint die
Voraussetzung zu sein, andere zu respektieren und zu akzeptieren und
damit zu ….
Lieben.
Ein kleiner Nebeneffekt schaut dabei auch raus:
Wir machen es anderen leichter, uns zu lieben.
Wir können wieder lernen, dass es in unseren
Partnern genauso viel Widerstand auslöst wie in uns, wenn wir sie
mit Pflichten belasten. Fordernden Menschen gegenüber sind wir
distanzierungsbereit, außer wir stehen ihnen gegenüber in einem
Abhängigkeitsempfinden. Dann versuchen wir die Forderungen zu
erfüllen, um uns Verlust zu ersparen. ….und erreichen in der Regel
die Zunahme der Abhängigkeit.
Ich hoffe etwas zum Nach- und Vordenken geboten
zu haben und freue mich darauf etwas von Euren Gedanken zu diesem
Thema lesen zu dürfen.
p.a.hartberger@arcor.de
Copyright © 2006 Peter A. Hartberger
Donnerstag, 06. August 2009
|